Nachteil des starken Wachstums

Unmut über hohe Inflation nimmt zu

Die chinesische Regierung kämpft gegen die höchste Inflation seit fast drei Jahren. Die Teuerung betrifft besonders Immobilien und Lebensmittel. In der Bevölkerung sind zunehmend Klagen zu hören. Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket wollen Chinas Führer die Teuerung in den Griff bekommen, bisher mit wenig Erfolg.

Mittagsjournal, 22.04.2011

Jörg Winter aus Peking

Unmut wird totgeschwiegen

Lokale Proteste gegen steigende Preise gehören längst zum Alltag in China. Die öffentlichen Unmutsäußerungen werden von der Polizei stets jedoch sofort aufgelöst. So passiert gestern in Shanghai, wo hunderte Lkw-Fahrer gegen steigende Treibstoffpreise und Gebühren demonstriert haben. In kürzester Zeit waren nicht nur die Fahrer vertrieben, sondern auch die Kommentare zu den Protesten von den meisten Websites verschwunden.

Leben wird teurer

Chinas Führer sind angesichts steigender Lebensmittel- und Immobilienpreise alarmiert. Im vergangenen Monat lag die Teuerungsrate bei mehr als fünf Prozent. Doch das ist nur der statistische Mittelwert. So kosten etwa Nahrungsmittel jetzt im Durchschnitt fast um 12 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei Gemüse ist die Preissteigerung noch viel höher. "Die Produkte des täglichen Lebens, Nahrungsmittel, die Wohnung, selbst Kleidung - alles ist teurer geworden. Ich mache mir echte Sorgen", erzählt uns ein Passant auf der Straße. Ein anderer kann den steigenden Preisen aber auch Positives abgewinnen. "Wenn die Lebensmittelpreise steigen, dann steigen auch die Einkommen der Bauern auf dem Land. Und das ist gut."

Warten auf freie Reserven

Doch ganz so einfach ist das nicht. Denn auch die Preise für Saatgut, für Dünger sind deutlich angestiegen. Viele Familien auf dem Land geben noch immer mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel aus. Die Preisspirale könnten sich zumindest noch einige Monate weiter drehen sagen Ökonomen wie Frederic Neumann, China-Experte bei der HSBC-Bank in Hong Kong: "Die Preisentwicklung bei Nahrungsmittel sind der größte Risikofaktor. Wir glauben, dass die Preise für Lebensmittel bis zur Jahreshälfte noch steigen werden. China verfügt aber etwa über enorme Getreidereserven. Sobald die in großen Stil auf den Markt kommen, dürften die Preise wieder fallen."

Immobilien um 15 Prozent teurer

Klagen die Menschen auf dem Land vor allem über steigende Lebensmittelpreise, so sind es in Chinas Städten explodierende Immobilienpreise, die für Unmut sorgen. Denn obwohl Chinas Banken die Richtlinien für die Kreditvergabe auf Anweisung der Zentralregierung verschärfen mussten, trotz wiederholter Zinserhöhungen und neuer Beschränkungen für den Kauf von Zweit- und Drittwohnungen, sind in vielen Städten die Wohnungspreise im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent und mehr gestiegen.

"Politische Harmonie" gefährdet

Auch Maßnahmen, das Wirtschaftswachstum etwas zu drosseln und damit die Inflation zu dämpfen, haben bisher wenig gebracht. Und so musste Regierungschef Wen Jiabao jüngst öffentlich eingestehen, dass China noch immer unter großem Preissteigerungsdruck stehe. Die Bekämpfung der Inflation ist mittlerweile Chefsache, hat jetzt oberste Priorität. Kein Wunder. Fürchten Chinas Führer doch, dass der Frust über hohe Preise die so gern beschworene politische Harmonie nachhaltig stören könnte.