"Wer kommen will, ist schon da"
Öffnung: Keine Rede von Ansturm
Am 1. Mai wird der österreichische Arbeitsmarkt für neue EU-Länder geöffnet. Laut einer Studie des WIFO ist mit 11.000 bis 16.000 Arbeitnehmern aus den östlichen Nachbarländern Slowakei, Tschechien und Ungarn zu rechnen. Diese Zahlen werden auch von slowakischer und tschechischer Seite bestätigt.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 23.04.2011
Karin Koller hat sich Tschechien und der Slowakei umgehört
"Es gibt genug Arbeit hier"
Vor dem Arbeitsamt in der Vazovova-Straße, in Bratislava 1: Dass ab 1. Mai der Arbeitsmarkt in Österreich für Slowaken offen ist, ist hier nicht wirklich ein Thema. "Das stimmt, ich suche Arbeit", erklärt uns eine junge Frau. Eine Freundin von ihr arbeitet schon in Österreich. Aber sie traue sich das nicht, das sei ihr zu kompliziert. - Mehr Geld verdienen sei schon eine Motivation, meint eine andere junge Frau. "Ich glaube einfach nicht, dass ich in Österreich einen guten Job kriege, obwohl ich schon deutsch kann. Ich komme aus dem Sozialbereich, ich will nicht als Pflegerin arbeiten. " - "Ja, ja, er habe von der Arbeitsmarktöffnung gehört", sagt ein Mann, der mit einem Packen Unterlagen aus dem Arbeitsamt herauskommt. Er sei nicht auf Arbeitssuche, sondern suche Arbeiter für seine Firma, eine Baufirma hier in Bratislava. Expandieren nach Österreich - "nein, das brauche ich nicht", meint er, "es gibt genug Aufträge hier für mich".
Kein Ansturm
Der 1. Mai ist kein großes Datum hier, meint Tigran Aleksanyan von der Nationalen Agentur für die Entwicklung von Klein-und Mittelbetrieben in der Slowakei. Seine Agentur ist eine der wenigen Anlaufstellen für Menschen, die im EU-Ausland speziell in Österreich arbeiten wollen. "Wir bemerken hier keinen Ansturm an Anfragen. Das ist nicht so, als ob man einen Grenzbalken öffnet und alle losstürmen. Reisefreiheit gibt es ja schon lange und wer in Österreich arbeiten wollte, hat das längst schon versucht."
Standard angenähert
Außerdem hat sich die wirtschaftliche Lage in der Slowakei in den letzten Jahren stark verändert. Es gibt nicht mehr diesen wirtschaftlichen Druck, unbedingt ins Ausland zu gehen, um Geld zu verdienen: "Vor ein paar Jahren noch wollten viele in England oder Frankreich arbeiten. Aber die Slowakei hat aufgeholt, unsere wirtschaftliche Situation hat sich angenähert. Wir haben höhere Gehälter, besseren Lebensstandard. Da ist das Bedürfnis nicht mehr so groß, im Ausland zu arbeiten."
Andrang bleibt in Grenzen
Dies bestätigt auch der österreichische Handelsdelegierte in Bratislava, Patrick Sagmeister. Die Slowakei hat in den letzten Jahren, mit Ausnahme des Krisenjahres 2009, hohes Wirtschaftswachstum gehabt. In der Westslowakei herrscht de facto Vollbeschäftigung. Natürlich werden einige schon die neuen Chancen in Österreich nutzen wollen, aber das werde sich in Grenzen halten, so Sagmeister.
Suche nach Qualifizierten
Ähnlich auch die Lage in Tschechien. Es sind vor allem die Deutschen und Österreicher, die jetzt nach tschechischen Arbeitskräften Ausschau halten, sagt Hana Polmova, Leiterin des Arbeitsamts in Liberec, nahe der deutschen Grenze: "Wir haben bisher kein größeres Interesse für Arbeit im Ausland bei den Tschechen hier registriert. Trotz aller Informationen in den Medien bisher. Aber es gibt Jobmessen hier, auf denen Deutsche und Österreicher aktiv nach qualifizierten Arbeitskräften suchen."
"Wer will, ist schon dort"
Eine große Barriere ist und bleibt aber die Sprache - ohne Deutschkenntnisse werde wohl kaum einer nach Deutschland oder Österreich gehen. Die Tschechen würden überhaupt eher dazu tendieren, wenn möglich zuhause zu bleiben, so die Leiterin des Arbeitsamts in Liberec. Sie jedenfalls sehe keine Anzeichen einer bevorstehenden Arbeitsemigration ab dem 1. Mai. Wer ins Ausland wollte, meint Hana Polmova, der ist längst schon dort.