Die Seestadt Aspern
Stadt neu denken
Ein ganz neuer Stadtteil soll auf dem ehemaligen Flugfeld Aspern im Nordosten Wiens entstehen: Innerhalb der kommenden 20 Jahre werden im größten Stadtentwicklungsgebiet Österreichs 8.500 Wohneinheiten für 20.000 Menschen und 15.000 Arbeitsplätze im Bereich Büros und 5.000 in Gewerbe, Wissenschaft und Forschung errichtet.
8. April 2017, 21:58
Bis 2028 werden insgesamt 2,2 Millionen Quadratmeter Bruttogeschoßfläche verbaut. Davon entfallen auf Gewerbe und Forschung alleine 200.000. Ab 2013 wird auch die U-Bahn-Linie U2 ins Areal führen.
Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin Maria Vassilakou lud zusammen mit der Entwicklungsgesellschaft 3420 Journalisten zu einer Rundfahrt durch das Areal ein. Man wollte damit zeigen, dass diese Stadt nicht am Reißbrett entstehen soll, sondern dass die Anrainer und potenzielle Bewohner zur kreativen Mitgestaltung eingeladen sind. Zu diesem Zweck sind Künstler und Künstlerinnen dazu eingeladen, Ideen für die neue Seestadt zu finden und diese - derzeit noch unsichtbare - Stadt geistig zu beleben.
Kulturjournal, 27.04.2011
Die U-Bahn führt schon hierher - in eine Stadt, die es noch nicht gibt. Jedenfalls sieht man viel auf einer U-Bahnfahrt nach Aspern, da sie nicht unterirdisch, sondern auf Stelzen geführt wird. Da wechseln sich Schrebergärten ab mit abgewrackten Industriegebäuden, dazwischen Einfamilienhaus-Siedlungen und Ackerflächen. Verlässt man das U-Bahngebäude, steht man auf einer ebenen Fläche von 240 Hektar - ein fast beängstigend weites Land.
Unsere Journalistengruppe wird mit einem Bus herumgeführt, vorbei an dem General-Motors-Werk, in dem 2.000 Menschen im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten. In den Wiesen und Äckern liegen immer wieder Betonbrocken. Das sind Reste des ehemaligen Flughafens.
Josef Lueger von der Entwicklungsgesellschaft 3420 erklärt während der Fahrt: "Linker Hand sehen sie einen Schotterkegel, das ist die zukünftige Haupterschließungsstraße vom Südosten. Diese Straße liegt im zukünftigen Niveau, das heißt diese Stadt baut sich einen bis zwei Meter nach oben. Damit vermeiden wir, dass der Aushub abtransportiert werden muss."
2.000 Wohneinheiten bis 2013
Im Hintergrund sieht man: Auch die letzte, die zukünftige Endhaltestelle, die U-Bahnstation "Seestadt" ist im Rohbau schon fertig, sie soll 2013 eröffnet werden. Wir erfahren: Bis dahin will man schon 2.000 Wohneinheiten fertig gestellt haben. Man zeigt uns auch den zukünftigen See, der sich zurzeit durch einen riesigen Schotterkegel bemerkbar macht. "Wir haben den See, der in der Mitte ist, bereits ausgehoben. Es ist ein Grundwassersee", so Lueger.
Das Ziel unserer Fahrt: der Rest eines Rollfeldes, auf dem ein künstlerisch verziertes Containerdorf steht. Hier gibt es Ansprachen und ein Blitzlichtgewitter für die Politiker. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sagt, dass die Stadt Wien rasch wächst und demnächst die Zwei-Millionen-Marke erreichen wird. Bezirksvorsteher Norbert Scheed erzählt, dass nicht alle Anrainer das Projekt mit Begeisterung aufnehmen. Für einige Bewohner sei das Wachsen einer Stadt in zuvor grüner Natur sowas wie "ein Clash of Culture, ein massiver Eingriff in ihre Umgebung", so Scheed.
Stadtschreiber/innen ohne Stadt
Um der zukünftigen Stadt nicht nur eine Funktion, sondern auch Inhalt und Geist zu geben, sind nun die Künstler und Künstlerinnen aufgerufen, sich etwas einfallen zu lassen. Der Performer Daniel Aschwanden will die Menschen, denen er hier begegnet ist, in seine Performances miteinbeziehen: zum einen die Bauarbeiter, Anrainer, aber auch Spezialisten aller Art: Entwickler, Investoren, Soziologen, Städteplaner.
Das Literaturhaus Wien wird vier junge Autoren einladen, ihre Phantasien zur Seestadt Aspern niederzuschreiben, wie Robert Huez erklärt: "Üblicherweise werden Autorinnen und Autoren als Städteschreiber eingeladen, um sich in einer bestehenden Stadt mit der Geschichte und Gegenwart auseinanderzusetzen. In diesem Fall ist es eine Besonderheit, dass vier Autorinnen und Autoren eingeladen werden in eine Stadt, die es noch nicht gibt."
Gartenworkshop für Kinder
Yara Coca Dominguez wird mit Kindern Workshops zum Thema Gärntern in Höfen, auf Balkonen und in öffentlichen Gärten machen. Vom 4. bis 12. August 2011 werden hier im Rahmen des Ferienspiels Kinder an einem Gartenworkshop teilnehmen und dabei zum Beispiel Erdbeeren ernten. Am 24. September wird dann ein Erntefest im öffentlichen Garten von Aspern gefeiert, bei dem die Ernte gemeinsam verzehrt wird.
Doch schon davor, vom 17. bis 19. Juni ist die Seestadt Ausflugszentrum mit Familienschwerpunkt: mit gemeinsamem Kochen, Exkursionen und der Baustelle als Erlebnis-Spielplatz. Und vom 18. bis 29. Juli 2011 lädt Daniel Aschwanden Anrainer/innen und jeden, der will, zu einer Performance mit Zeppelin ein. Es geht also richtig die Post ab in Aspern.
Textfassung: Ruth Halle