Versteigerung im Dorotheum

Leopolds afrikanische Objekte

Das Auktionshaus Dorotheum erweitert sein Repertoire um die Sparte der Tribal Art, also der Stammeskunst Afrikas und Ozeaniens. Am Dienstag, 3. Mai 2011 findet im Dorotheum eine Auktion statt, bei der afrikanische Objekte aus der Sammlung von Rudolf Leopold versteigert werden.

Als Experte für Tribal Art konnte das Dorotheum Erwin Melchardt, den früheren Kunstkritiker der Kronen Zeitung, engagieren, der studierter Ethnologe und selbst Sammler ist.

Kulturjournal, 02.05.2011

Einfluss auf den Expressionismus

Dass Rudolf Leopold, der große Sammler österreichischer Kunst, sich auch mit Afrikanischer Kunst beschäftigt hat, ist wenig bekannt. Verständlich wird das Interesse jedoch, wenn man weiß, welchen Einfluss diese Objekte, ob spirituelle Kultgegenstände oder für den Alltagsgebrauch, auf die Entwicklung des Expressionismus hatten. Stammeskunst bot Rudolf daher einen weiteren Zugang zu seiner großen Sammelleidenschaft, zu Künstlern wie Schiele, Kokoschka und Klimt.

Erwin Melchardt, Experte für Tribal Art am Dorotheum: "Vielleicht war das eine Initialzündung. Aber wenn man sich länger damit beschäftigt und viel sieht, dann lernt man Qualitäten zu unterscheiden. Das kann man auch in seiner Sammlung durchaus nachvollziehen, dass sie dann besser geworden ist und gute Qualität hat."

Rituelle Gegenstände

Aus der rund 500 Stück umfassenden Sammlung hat Melchardt eine Auswahl getroffen, die am Dienstag versteigert wird. Stämme aus mehreren Regionen südlich der Sahara sind vertreten, und viele der Objekte dienten bei spirituellen Ritualen: schützende Statuetten, Zeremonial-Löffel, Feuerläufer-Masken oder Wahrsage-Bretter.

"Wichtig an diesen Stücken ist, dass deutlich erkennbar ist, dass sie verwendet wurden. Hier haben wir ein Schmuckstück, da sieht man die Tragespuren. Oder bei kultischen Objekten, ob sie beopfert wurden - hier mit einer Palmölbeopferung, oder hier mit Hirsebrei", erläutert der Experte.

Provenienz spielt große Rolle

Der Tribal-Art-Markt wird von Fälschungen geradezu überschwemmt, daher spielt die Provenienz der Gegenstände, ihr "Lebenslauf" als Kunstobjekte also, etwa wann sie nach Europa gekommen sind, eine immer größere Rolle: "Bei den frühen Stücken war das noch nicht in einem europäischen Sinn als Kunstobjekt gesehen worden, sondern als Exotikum. Erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist auch wissenschaftlich entschieden, dass das zur Kunst gehört."

Großteils sind sie von anonymen Künstlern und Handwerkern hergestellt worden, doch kann die Urheberschaft in manchen Fällen auf bestimmte Werkstätten rückgeführt werden, meint Melchardt: "Es gibt eine Reihe von besonders geschätzten Schnitzer-Dynastien, wo wir hier zwei Beispiele haben."

Gott für Zwillinge

Die beiden Statuetten aus geschnitztem Holz mit Glasperlenketten, 30 Zentimeter groß, dienten im Stamm der Yoruba in Nigeria als Zwillingsfiguren. Bei den Yoruba gab es eine überdurchschnittliche Häufung von Zwillingsgeburten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Zwillinge besonders geachtet. Sie hatten einen eigenen Gott, und in Haushalten waren ihnen Altare gewidmet. Verstarb eines der beiden Geschwister, bestellte man bei einem Schnitzer eine Stellvertreterfigur.

"Diese Stellvertreterfigur wird von der Mutter der Zwillinge angenommen als der Zwilling, wird gewaschen, gepflegt, gefüttert und wird auf dem Hausaltar verehrt. Wenn der überlebende Zwilling krank wird, kommt der Medizinmann und dann werden von dieser Zwillingsfigur Späne abgenommen, und daraus wird eine Medizin für den kranken Zwilling gemacht. Der tote Zwilling hilft dem Lebenden", so Melchardt.

Ethische Bedenken

Dass diese Kultgegenstände, die auch nach der Auflösung der Kulte einen kulturhistorischen Wert haben, in europäischen und amerikanischen Sammlungen landen, kann natürlich kritisch gesehen werden. Gibt es in Fachkreisen ethische Bedenken?

"Natürlich gibt es das und ist durchaus berechtigt, wenn die Kultur noch intakt ist", sagt Melchardt. "Aber zum Großteil ist das in einer globalisierten Welt nicht mehr so. Sobald ein Kult aufgegeben wird, sobald die Leute zum Christentum übertreten oder zum Islam oder sich sonst irgendwie modernisieren, werden diese Dinge von den Leuten selbst verkauft, wenn Interesse herrscht."

Zentren für den Handel mit Stammeskunst

Die Zentren für den Handel mit Stammeskunst sind - der Kolonialgeschichte entsprechend - Brüssel, Paris, London und New York. Mit diesen Zentren, so Melchardt, wird der kleine österreichische Markt bestimmt nicht konkurrieren können. Dennoch hofft man im Dorotheum darauf, neue Kunden zu erreichen.

Für die erste Auktion in dieser Sparte wurde daher - als Einstiegshilfe - bewusst moderat geschätzt. Viele der Stücke aus der Sammlung Leopold sind um weniger als tausend Euro zu haben.

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