Unmut der Bevölkerung wächst
Zwei Monate danach: Kaum Fortschritte
Vor zwei Monaten, am 11. März, erschütterte das stärkste Beben seit mindestens 100 Jahren den Nordosten von Japan. Ein Tsunami und eine Atomkatastrophe waren die Folge. Noch immer ist die Atomanlage von Fukushima nicht unter Kontrolle, und in den überschwemmten Gebieten kommt der Wiederaufbau nur langsam voran.
8. April 2017, 21:58
Reportage von Martin Fritz
Morgenjournal, 11.05.2011
Ärger über Politik wächst
Der Tsunami tötete rund 25.000 Menschen. Tausenden ließ die Naturkatastrophe zwar das Leben, nahm ihnen aber alles, was bisher ihre Existenz ausmachte. Der Naturkatastrophe folgte die Atomkatastrophe. Ein Tsunami überschwemmte die Atomanlage Fukushima mit sechs Reaktoren. Als die Notkühlung von drei Meilern versagt, kommt es zu einem nuklearen Störfall der höchsten Stufe 7. Zwischen Bürgern und Politik herrscht mittlerweile ein gereizter Ton in Japan. Ein Evakuierter aus der Sperrzone um das Atomkraftwerk Fukushima fordert Premierminister Naoto Kan auf:"Sie müssen mehr tun! Arbeiten Sie noch härter dafür, dass die Reaktoren unter Kontrolle kommen! Wirklich!"
Reaktoren kaum unter Kontrolle
Sein Drängen ist verständlich: Frühestens im Januar werden die 80.000 Evakuierten aus der gesperrten 20-Kilometer-Zone um die Atomanlage erfahren, ob sie jemals in ihre Häuser und Städte zurückkehren können. Die Reparaturarbeiten in den Atommeilern kommen nur langsam voran. Arbeiter können das Gebäude von Reaktor 1 zwar jetzt wieder betreten, doch der Kühlwasserstand im Inneren und die Temperatur der Brennelemente sind von allen Reaktoren immer noch unbekannt. Hidehiko Nishiyama von der Atomaufsichtsbehörde Nisa gab am Montag zu: "In Reaktor 3 ist die Temperatur wieder gestiegen. Wir wollen nun mit einer größeren Zufuhrleitung mehr Wasser hineinpumpen, aber ob die Temperatur zurzeit steigt oder fällt, wissen wir nicht."
Neue Strontium-Belastung
Noch im Mai will der AKW-Betreiber Tepco einen verbesserten Sanierungsplan vorstellen. Als erstes will man die Kühlung von Reaktor 1 wieder in Betrieb nehmen. Die Arbeiter erhalten bessere Nahrung und Unterkünfte und werden medizinisch überwacht. Die Zahl der Strahlenmesser wird auf über 100 verdoppelt. Doch es gebe ständig neue Probleme, räumt Regierungsberater Goshi Hosono ein: "Wir haben kürzlich höhere Werte von radioaktivem Strontium entdeckt. Das macht uns Sorge, weil Strontium wie Kalzium in den Knochen eingelagert wird. Wir überprüfen das gerade."
Mühsame Baulandsuche
Unterdessen leben in den Tsunami-Gebieten immer noch 120.000 Menschen in Notunterkünften. Bis Ende August sollen sie eigentlich in 72.000 Behelfsbauten unterkommen. Doch davon waren letzte Woche erst 4.000 fertig. Der Hauptgrund: Behörden und Obdachlose verhandeln langwierig über die Bauplätze. Die Behelfshäuser sollen entfernt von der Küste entstehen. Doch dort muss der Staat mühsam Land suchen und pachten. Wegen der Verzögerungen fürchten viele Küstenbewohner um ihre Existenz als Bauern und Fischer. Ein Fischer in Ishinomaki meint: "Anstatt die Verantwortung für Entscheidungen hin- und herzuschieben, sollten die Tsunami-Trümmer hier im Hafen schnell entfernt werden. Vorwärts mit Ishinomaki!"
Zehntausende von Soldaten und freiwilligen Helfern sind mit dem Aufräumen beschäftigt. Die Tsunamis haben hunderte Quadratkilometer mit öligem Schlamm bedeckt, der sich nur mühsam entfernen lässt. Bis der eigentliche Wiederaufbau beginnen kann, werden wohl noch einige Monate vergehen.