Experte: "Perspektive einer Generation"

"Griechen brauchen langen Atem"

Die griechische Regierung habe bisher zu wenig gegen Steuerprivilegien getan, sagt der deutsche Ökonom Jens Bastian von der griechischen Stiftung für Außenpolitik in Athen. In jedem Fall werde Griechenland noch lange internationale Unterstützung brauchen, ein Schuldennachlass ist aus seiner Sicht nicht der richtige Schritt, sagt Jens Bastian.

"Der Regierung bricht die Wirtschaft zusammen"

Der Ökonom Jens Bastian im Mittagsjournal-Interview am 11.05.2011 mit Paul Schiefer

Steuerquellen brechen weg

Die griechische Wirtschaftskrise dauert nun bereits drei Jahre, und sie verstärkt sich. Die Steuereinnahmen gehen weiter zurück, die Arbeitslosigkeit steigt, dadurch fehlen Sozialbeiträge und weitere Steuern. Dazu komme eine "dramatische" Kaufzurückhaltung der Bevölkerung, sagt Bastian: "Das heißt, es bricht der griechischen Regierung nicht nur eine Wirtschaft zusammen, sondern auch die Einnahmemöglichkeiten, um entsprechende Defizite zu decken oder auch in Arbeitsplätze zu investieren."

Privilegien politisch abgesichert

Als größtes Versäumnis der griechischen Regierung nennt Bastian, dass die Steuereinnahmen nicht effektiv erhöht werden. "Zu viele Berufsgruppen in Griechenland zahlen zu wenig Steuern oder keine." Freie Berufsgruppen wie Notare, Anwälte, Apotheker, Elektriker oder Lastwagenfahrer hätten weiterhin Privilegien. Diese Berufsgruppen könnten oft Einkommen unter der Armutsgrenze deklarieren, und somit kaum oder keine Steuern zahlen. Dass dagegen so wenig passiert, erklärt Bastian damit, "dass die meisten dieser Berufsgruppen im Parlament sehr gut vertreten sind, Steuergesetze verwässert werden, weil die Regierungs- und die Oppositionsparteien selber von Notaren, Anwälten und Apothekern geprägt ist. Und die werden nicht den Ast absägen, auf dem sie sitzen."

"Perspektive von einer Generation"

Ein Schuldennachlass wäre nach Ansicht Bastians keine Lösung. Damit würde man Griechenland für ein bis zwei Jahre helfen. Aber Griechenland brauche "einen langen Atem für einen Reformprozess, der mit oder ohne Schuldenschnitt länger als fünf Jahre dauern wird". Man müsse hier "mit einer Perspektive von einer Generation rechnen".

Frage des politischen Willens

Daher brauche Griechenland jetzt vor allem "Zeit, internationale Unterstützung, ein Investitionsprogramm und europäische Solidarität". Denn hinter Griechenland kämen dann Länder wie Irland, Portugal und auch noch Spanien. Es gehe um den politischen Willen, die Euro-Zone weiter zu festigen und dabei auch Länder, die Fehler begangen haben, in ihrem Reformprozess zu unterstützen, so Bastian.