Ex-General kritisiert Libyen-Strategie

"NATO soll verhandeln statt schießen"

Über 2.000 Angriffe hat die NATO seit Beginn der Operation am 19. März geflogen und hat außer einem Patt bis jetzt wenig erreicht. Der ehemalige Nato-General und Ex-Kommandant der KFOR-Truppen im Kosovo, Klaus Reinhardt, empfiehlt der NATO in Libyen, mit dem Schießen aufzuhören und sich schnellstens an den Verhandlungstisch zu setzen.

Waffenstillstand und Friedenstruppen

Klaus Reinhardt, Ex-Kommandant der KFOR-Truppen im Kosovo, im Mittagsjournal-Interview am 13.05.2011 mit Barbara Ladinser

"Absolut danebengegangen"

Die Strategie sei von Beginn an falsch gewesen, so Reinhardt im Ö1-Mittagsjournal-Interview. Man könne einen Konflikt auf dem Boden mit Luftstreitkräften nicht beenden. Die Hoffnung, dass man Gaddafi rasch in die Knie zwingen werde, sei "absolut daneben" gegangen. Der Ex-General vergleicht das mit dem positiven Beispiel des Balkan-Einsatzes: Dort sei nach den Luftschlägen immer erst ein Waffenstillstandsabkommen ausgehandelt worden. Anschließend hätten neutrale Truppen die Streitparteien getrennt.

"Schießerei ein Ende machen"

Um aus der Situation herauszukommen, habe UNO-Generalsekretär Ban-Ki Moon den ersten Schritt gemacht und ein überprüfbares Waffenstillstandsabkommen gefordert. "Ich hoffe, es kommt auch dazu, dass man endlich der Schießerei ein Ende macht."

Darauf zu setzen, dass Gaddafi bei einem Luftangriff getötet wird, sei zu unsicher. Das habe bei Saddam Hussein im Irak auch nicht funktioniert. "Das kann ja keine Strategie sein, die weiterführt", kritisiert der Ex-General.

Mit Gaddafi als auch Rebellen reden

Ein zentraler politisch strategischer Fehler, so Reinhardt: "noch vor Verhandlungen zu sagen, Gaddafi muss weg, wir sprechen nicht mit ihm." Wieder zieht er einen Vergleich zum Balkan-Konflikt: "Wir haben mit Milosevic in Dayton auch gesprochen, weil man ihn braucht, um die Seite der Regierungstruppen an den Verhandlungstisch zu bringen." Wenn sich die Rebellen weigern, an solchen Verhandlungen teilzunehmen, dann müsse man eben auf sie Druck ausüben, so Reinhardt.

UNO oder EU müssen vermitteln

Benötigt werde jedenfalls ein neutraler Vermittler, der von der UNO, aber auch von der EU kommen könnte, so der Ex-General. Die Rebellen könnten jedenfalls nicht alleine festlegen, wie es weitegeht. Dazu stehen noch viel zu viele Leute hinter Gaddafi. "Da muss es zu irgendeiner Art von Gemeinsamkeit kommen. Wo die liegt, weiß ich nicht, aber dafür macht man ja Verhandlungen."

Ein Waffenstillstand müsste durch Friedenstruppen gesichert werden, für deren Entsendung derzeit allerdings niemand Bereitschaft zeigt. Aber Reinhardt geht davon aus, dass einige Länder in Europa ihre Ablehnung revidieren. Voraussetzung dafür sei jedenfalls ein Waffenstillstand, das habe auch die Erfahrung auf dem Balkan gezeigt.

Biografie

Klaus Reinhardt leitete die deutschen Auslandseinsätze in Somalia, in Kroatien sowie in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der unter NATO-Kommando stehenden multilateralen Friedenstruppen IFOR und SFOR. Als deutscher Bundeswehr-General war er an der Strukturreform der NATO beteiligt, die neben der Abschreckung potenzieller Aggressoren auch die Unterstützung von Friedensmissionen als zusätzliche Aufgabe des Bündnisses vorsah. Während dieser Zeit war Reinhardt zudem, vom 8. Oktober 1999 bis zum 18. April 2000, Befehlshaber der KFOR-Friedenstruppe in Priština im Kosovo und kommandierte damit 50.000 Soldaten aus 39 Nationen.

Reinhardt arbeitet als freier Journalist und ist Autor mehrerer Bücher. Zudem lehrt er an zwei Universitäten Politikwissenschaft und Neuere Geschichte.

Service

NATO Biografieseite Klaus Reinhardt

Buchtipp

KFOR, Streitkräfte für den Frieden, Das Tagebuch des Deutschen Kommandeurs im Kosovo, 605 Seiten,
Verlag: Blazek & Bergmann, ISBN-10: 3980653692, ISBN-13: 978-3980653695