Unruheherd Aserbaidschan

Instabiler Songcontest-Sieger

Aserbaidschan soll den nächsten Europäischen Songcontest austragen, nachdem es am Samstag den Gesangswettbewerb für sich entschieden hat. Aserbaidschan ist allerdings trotz seines Ölreichtums alles andere als stabil und ist zuletzt vor allem durch einen sehr harten Umgang mit Regimekritikern aufgefallen.

Mittagsjournal, 16.05.2011

Festnahmen und Zensur

Auf die Freudenkundgebungen der Song-Contest-Fans reagierte die aserbaidschanische Führung mit Wohlwollen und nicht wie sonst bei Menschenansammlungen mit Schlagstöcken und Einsatzpolizei. In den letzten Monaten sind tausende Regimekritiker auf die Straßen gegangen, um gegen das Regime der Familie Aliew zu protestieren, die seit mehr als zwei Jahrzenten an der Macht ist, erklärt Emin Huseynov vom aserbaidschanischen Institut für Journalistische Freiheit und Sicherheit. Dutzende Aktivisten wurden dabei festgenommen: "Nach dem Beginn der arabischen Revolutionen haben auch bei uns Leute begonnen, sich über Facebook und Twitter zu organisieren und auf die Straße zu gehen. Die Polizei hat viele verhaftet, der Geheimdienst verfolgt die Diskussionen im Internet, und wer auffällt wird von der Polizei vorgeladen."

"Feind der Pressefreiheit"

Allein nach der letzten Demonstration Ende April wurden zehn angebliche Organisatoren verhaftet, zusätzlich Aktivisten einer Oppositionspartei. Und vor eineinhalb Wochen wurde ein 20-jähriger Blogger zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt - die Vorwürfe gegen ihn waren erfunden, meint dazu die Organisation Amnesty International, die Aserbaidschan schon lange wegen Menschenrechtsverletzungen kritisiert. Und "Reporter ohne Grenzen" bezeichnet Aserbaidschan als Feind der Pressefreiheit: "Die Regierung hat 2009 BBC International, Radio Liberty und Voice of America geschlossen, die letzten unabhängigen Medien in Aserbaidschan. Aber das Internet ist weit verbreitet und wird für den Protest weiter eine Rolle spielen", sagt Huysenov.

Was tun mit Medienansturm?

Schwer zu sagen, wie Aserbaidschan unter diesen Umständen den Songcontest ausrichten will. Erst im Mai wurde ein schwedisches Fernsehteam ausgewiesen, ausländische Journalisten warten oft monatelang auf ihre Einreisevisa, die dann ohne Angabe von Gründen verweigert werden können - keine guten Voraussetzungen für einen Ansturm der internationalen Medien.

Unruhen zu erwarten

Dazu kommt ein weiterer Unruheherd: Etwa ein Fünftel des aserbaidschanischen Staatsgebietes rund um die Region Berg-Karabach ist seit 20 Jahren von Armenien besetzt. Erst im März hat Präsident Ilham Aliev deshalb damit gedroht, armenische Flugzeuge abschießen zu lassen, die sich der Region nähern, und bei Kämpfen an der Waffenstillstandslinie sind heuer bereits zwei Menschen getötet worden. Die Lage im Land köchelt, meint der Menschenrechtsaktivist Emin Huysenov. Er rechnet mit weiteren Unruhen gegen das Regime und schließt auch ein Szenario wie in Syrien nicht aus - keine guten Startbedingungen also für den Europäischen Song-Contest 2012.

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