Diskussion über Eigenkapitalvorschrift

WU-Experte widerspricht Treichl

Erste-Group-Chef Andreas Treichl hat sich in seiner vielbeachteten Wortmeldung inhaltlich über die neuen Eigenkapitalregeln für Banken beschwert. Diese Regeln für die Vergabe von Krediten seien im Vergleich zu anderen Geschäften zu streng, meinte Treichl. Wirtschaftsprofessor Stefan Pichler von der WU-Wien kann diese Kritik nicht nachvollziehen.

Mittagsjournal, 16.05.2011

Riskante Anleihen?

Die neuen geplanten Regeln, auch "Basel 3" genannt, schreiben den Banken vor, dass sie für ihre Geschäfte in Zukunft mehr Eigenkapital zurücklegen müssen - als Sicherheitspolster, um in Zukunft besser für eine Finanzkrise gerüstet zu sein. Erste-Bank-Chef Andreas Treichl kritisiert jetzt, dass er für einen Kredit an ein Unternehmen mehr Eigenkapital zurücklegen muss als zum Beispiel für den Kauf einer griechischen und damit riskanten Staatsanleihe.

Wirtschaftsprofessor Stephan Pichler bestätigt das als Faktum. Trotzdem kann er die Kritik nicht nachvollziehen. Denn Kredite an Unternehmen seien grundsätzlich riskanter als Staatsanleihen, das stehe außer Streit. Und deswegen sei es im Grundsatz auch in Ordnung, hier mehr Eigenkapital zu verlangen.

Keine Benachteiligung?

Und Stefan Pichler weist darauf hin, dass es hier nur um Mindestanforderungen geht. Wenn also eine Bank tatsächlich beschließt, ein offensichtlich höheres Risiko einzugehen und griechische Staatsanleihen zu kaufen, müsse sie dafür sehr wohl mehr Eigenkapital zurücklegen - das sei in "Basel 3" ebenfalls so vorgesehen.

Dass Banken wie die Erste Bank, die ihr Geld hauptsächlich mit Krediten verdienen, gegenüber großen Investmentbanken benachteiligt sein könnten, sieht Stefan Pichler auch nicht auf den ersten Blick: Er kenne den aktuellen Stand der Verhandlungen in Brüssel nicht und ob da punktuelle Nachteile für Österreich drohen. Auf der Papierform sei jedenfalls keine Benachteiligung von Retail-Banken zu erkennen. Im Gegenteil sollten diese eigentlich bevorzugt werden gegenüber den Investmentbanken.

Thema von Verhandlungen

Tatsache ist, dass das Thema "Basel 3" auf internationaler Ebene von den G 20 auf den Weg gebracht wurde und jetzt auch EU-Ebene verhandelt wird. Denn die neuen Eigenkapitalregeln müssen erst in eine EU-Richtlinie gegossen werden. Ob sich die heimischen Politiker zu wenig auskennen und sich auch zu wenig für die Interessen der heimischen Banken einsetzen, wie Treichl meint, das beurteilt der Wirtschaftsprofessor vorsichtig: "Einen Verhandlungsbedarf gibt es da immer." Grundsätzlich sei Österreich aber gut vertreten, und grundsätzlich sei "Basel 3" jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, um zukünftige Finanzkrisen zu verhindern.