"Mediale Hinrichtung in den USA"
Strauss-Khan: Frankreich empört
Die Bilder von Dominique Strauss-Kahn, der erst in Handschellen abgeführt wird und dann im Gerichtssaal in New York während der gesamten Verhandlung gefilmt wurde, haben in Frankreich schockiert und einen Aufschrei der Empörung ausgelöst, manche sprechen gar von einer „medialen Hinrichtung“.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 17.05.2011
Erniedrigende Bilder aus den USA
In Frankreich, wo Aufnahmen aus dem Inneren von Gerichtssälen, selbst solche vor der Eröffnung der Verhandlungen, die absolute Ausnahme sind, haben die Bilder von Dominique Strauss-Kahn vor der New Yorker Richterin gestern Abend mehr als nur ungläubiges Kopfschütteln oder Verwunderung ausgelöst, sondern Menschen auf der Straße, wie auch Politiker, ob rechts oder links, richtiggehend schockiert. Das Konterfei des Chefs des Weltwährungsfonds, unrasiert und im Gesicht schwer gezeichnet, das stundenlang in Nahaufnahme über die Fernsehschirme flimmerte, hatte in den Augen der Franzosen etwas unzulässig Erniedrigendes. Zumal die Bilder von Strauss-Kahn, der in Handschellen aus der Polizeistation geführt wurde, noch nicht verdaut waren - derartige Aufnahmen sind in Frankreich gesetzlich verboten.
"Mediale Hinrichtung"
Ex-Justizministerin Guigou: "Ich empfand diese Bilder als unglaublich brutal und grausam. Ich sehe nicht, was die Veröffentlichung derartiger Bilder zur Wahrheitsfindung beitragen kann. Im amerikanischen Justizsystem ist das kohärent, ich bin froh, dass wir nicht dasselbe Justizsytem haben.
Noch deutlicher wurde der Grandseigneur der französischen Politik, Ex-Anwalt, Justizminister und Präsident des Verfassungsgerichts, Robert Badinter: "Dies ist eine bewusste, organisierte mediale Hinrichtung von Dominique Strauss-Kahn. Ich klage diejenigen an, die diese Kampagne organisiert haben, die ganz klar gegen ihn gerichtet ist. Ich erinnere an die Unschuldsvermutung, Amerika sagt uns immer, wir würden sie nicht respektieren – was bleibt denn in diesem Fall davon in der Öffentlichkeit wirklich übrig?"
Nicht alle gleich
Aus dem Ausland meldete sich auch der Schriftsteller und Strauss-Kahn Freund, Bernard Henri Levy zu Wort. Zum Argument, in den USA würde vor Gericht eben jeder gleich behandelt, sagte er: "Das ist absolut zum Kotzen. Denn man weiß doch, dass nicht alle gleich sind. Man weiß, dass jemand wie Strauss-Kahn von der öffentlichen Meinung anders behandelt wird, das es eine Meute von Photographen geben wird, die da sind, um ihn zu erniedrigen und das geringste Zucken in seinem Gesicht festzuhalten - das ist ein falsches Argument.
Öffentliche Marter
Der Kommentator einer Tageszeitung schreibt heute über die Bilder aus dem New Yorker Gerichtssaal, in Frankreich erinnerten sie an eine Form der Marter unter dem Ancien Regime, als die Verurteilten öffentlich der Menge präsentiert wurden und für ihre Vergehen den Preis der Schande zu zahlen hatten.
Retourkutsche für Polanski
Schon beginnt man in Frankreich davon zu sprechen, diese Zurschaustellung von Dominique Strauss-Kahn sei die Rache der amerikanischen Justiz für den Fall Polanski und es entsteht der Eindruck, der Umgang der New Yorker Polizei und Justiz mit dem IWF-Chef könnte hierzulande eine antiamerikanische Stimmung neu beleben.