Kaurismäki, Foster, Malick
Zwischenbilanz Cannes
Am Sonntag, 22. Mai 2011, geht das Filmfestival von Cannes zu Ende - Zeit für eine Zwischenbilanz. Die Balance zwischen einer nicht abreißenden Kette von Stars und neuen Werken von bedeutenden Filmkünstlern scheint beim heurigen Festival bestens zu funktionieren.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 18.05.2011
Jodie Foster und Mel Gibson, Brad Pitt und Isabelle Huppert, Aki Kaurismäki und Lars von Trier. Die Balance zwischen einer nicht abreißenden Kette von Stars und neuen Werken von bedeutenden Filmkünstlern, die darin die großen Menschheitsfragen stellen und Kommentare zum Zustand der heutigen Gesellschaft geben, scheint beim heurigen Filmfestival von Cannes bestens zu funktionieren. Schließlich ist es das, was sich professionelle Festivalbesucher wie Journalisten und das Publikum gleichermaßen wünschen.
Stille Poesie in "Le Havre"
Aki Kaurismäki, der finnische Meister des lakonischen Melodrams, zeigt in seinem neuesten Film "Le Havre" die französische Hafenstadt von ihrer ärmlichen Seite, und doch ist sie in dem Film einer der letzten Orte, wo die Bergpredigt noch verstanden wird, wie es heißt: Ein bettelarmer Schuhputzer schützt einen Jungen aus Afrika vor dem Zugriff der Fremdenpolizei und verhilft ihm zur Flucht nach London.
Aki Kaurismäki griff in Cannes die europäischen Politiker frontal an, die zwischen ihrem Mercedes und ihren Hotelzimmern nicht mehr wüssten, was die wahren Probleme der Menschen seien und die Frage der illegalen Immigranten und ihr Leid in keinster Weise einer Lösung zuführen würden.
"Le Havre" ist ein Film voll stiller Poesie, berührender Menschlichkeit, verhaltener Komik, und er begeisterte das Publikum in Cannes. Eine zweite Goldene Palme könnte Kaurismäki winken. Aber auch Lars von Trier und Pedro Almodóvar haben schon eine zu Hause und deren Filme stehen noch aus.
Kino als Therapie
Zwar in der offiziellen Selektion, aber außerhalb des Wettbewerbs war der neue Film von Jodie Foster zu sehen, in dem sie auch selbst mitspielt als verzweifelte und liebende Frau von Walter, der an extremen endogenen Depressionen leidet und von Mel Gibson dargestellt wird. "The Beaver" heißt der Film, denn mithilfe einer Biberpuppe versucht sich der Familienvater aus der Umklammerung der Krankheit zu lösen.
Mel Gibson spielt um sein Leben und Jodie Foster meistert den delikaten Parforce-Ritt erstaunlicherweise ohne die vorhersehbaren Abstürze. Die kennt sie aus ihrem eigenen Leben und Kino sei für sie letztlich Therapie, sagte Jodie Foster in Cannes.
Heiße Diskussionen um "Tree of Life"
Ein Film sagt in Cannes nach wie vor für große Diskussionen und das ist Terence Malicks Wettbewerbsbeitrag "The Tree of Life". Der publikumsscheue, geheimnisumwitterte amerikanische Regisseur schickte seine Protagonisten Sean Penn und Brad Pitt vor. Brad Pitt teilt das Interesse Malicks für die großen Fragen des Menschseins.
Malick ist ja ausgebildeter Philosoph und hat Heidegger übersetzt. Viele haben Malick an der Croisette mit dem verstorbenen Stanley Kubrick verglichen. Auch der Kritiker der französischen Tageszeitung "Liberation", der eine Hymne auf "Tree of Life" schrieb, der grandios zwischen kosmischem New-Age-Trip und elegischem filmischen Gebet hin und her manövriere. Zweifellos ist "Tree of Life" für die heurige Jury unter Malicks Landsmann Robert de Niro ebenfalls ein Kandidat für die Palme.