Umfassende Kritik
Staatsanwälte im Visier des Rechnungshofs
Der Rechnungshof übt umfassende Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaften. Konkret bemängeln die Prüfer die Zusammenarbeit der Staatsanwälte mit den Ermittlungsbehörden, vermissen ausreichende Kontrolle und stellen ein geringes Ausmaß an vor allem wirtschaftlicher Weiterbildung fest. Die Staatsanwälte weisen die Kritik großteils zurück.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 20.05.2011
"Ermittlungen aktiver lenken"
Seit Anfang 2008 sind die Staatsanwälte Herr des behördlichen Ermittlungsverfahrens. Sie müssen eng mit der Kriminalpolizei zusammenarbeiten und das Verfahren mit geeigneten Anordnungen in die richtige Richtung vorantreiben. Aber das tun sie zu wenig, so der Rechnungshof in einem aktuellen Bericht, für den 800 Verfahren von vier Staatsanwaltschaften unter die Lupe genommen wurden. Demnach wurden je nach Staatsanwaltschaft ein Viertel bis zur Hälfte der Anordnungen allgemein gehalten und gaben keine Zielrichtung vor. Der Rechnungshof empfiehlt "den Inhalt von Anordnungen zu konkretisieren. Insbesondere bei komplexen Fällen sollte die Staatsanwaltschaft frühzeitig die Richtung der Ermittlungen festlegen und ihre Leitungs- und Lenkungsbefugnis aktiv wahrnehmen." Die Staatsanwaltschaften hätten in zwei Drittel der Fälle nur den Bericht der Kriminalpolizei abgewartet und dann ohne weitere Fragen die Einstellung des Verfahrens verfügt.
Jarosch: "Aufgaben in komplexen Fällen"
Dazu der Präsident der Vereinigung der Staatsanwälte, Gerhard Jarosch: "Die Kriminalpolizeibeamten in Österreich sind ja auch nicht gerade auf der Nudelsuppe dahergeschwommen und wissen ganz genau, was sie in diesen Fällen zu tun haben. In komplexeren Fällen erteilen wir sehr wohl ganz konkrete Aufgaben."
Mangel an Kontrolle
Weiterer Kritikpunkt des Rechnungshofes: Mit der Kontrolle der Staatsanwaltschaften liege es im Argen. Nicht nur, dass keine Innere Revision vorhanden sei, auch das Vier-Augen-Prinzip bei Verfahrenseinstellungen sei löchrig. Zitat aus dem Bericht: "Staatsanwälte konnten bei entsprechender Eignung bereits nach einjähriger Tätigkeit weitgehend von der Revision freigestellt werden. Einstellungsentscheidungen unterlagen danach keiner weiteren Kontrolle."
Jarosch: "Zuviel Kontrolle"
Staatsanwälte-Sprecher Jarosch hält dem entgegen, dass ja auch Opfer und Beschuldigte Einspruchsrechte hätten. Darüber hinaus würden Staatsanwälte durch Rechnungshof, Volksanwaltschaft und Parlament kontrolliert. "Wenn man sich all diese Aspekte anschaut, glaube ich, haben wir sogar ein bisschen zu viel an Kontrolle", so Jarosch.
Begründungen unzureichend
Der Rechnungshof bemängelt auch, dass Verfahrenseinstellungen nicht ausreichend begründet waren, was aber im Hinblick auf das Vertrauen der Bevölkerung in eine funktionierende Justiz von großer Bedeutung sei. Dieser Kritik hat die Justiz mit Jahresbeginn durch neue Bestimmungen Rechnung getragen.
Mangelnde Weiterbildung
Die mangelnde Kompetenz von Staatsanwälten in Wirtschaftssachen wird immer wieder diskutiert. Es gab Fortbildungs-Angebote zum Thema Bilanzen lesen, aber kaum ein Staatsanwalt ging hin, wie der Rechnungshof aufdeckt: In Krems nahm zwischen 2008 und 2010 gar kein Staatsanwalt an den zweitägigen Seminaren teil. In Innsbruck waren es nur vier Staatsanwälte, in Wels drei. Am eifrigsten war man noch in Salzburg, dort besuchten im Prüfzeitraum immerhin neun Staatsanwälte Seminare. Zu wenige Seminarangebote und zu geringes Interesse der Staatsanwälte, so das strenge Fazit der Prüfer.