Soll Mythen beenden

Chile: Zweite Exhumierung Allendes

Am Montag soll zum zweiten Mal der Sarg mit den sterblichen Überresten des 1973 im Militärputsch gestorbenen Präsidenten Salvador Allende ausgegraben werden. Gerichtsmediziner sollen den Leichnam untersuchen und die Ergebnisse mit den Arztberichten der ersten Autopsie aus dem Jahr 1973 vergleichen. Bis heute heißt es, Salvador Allende hätte Selbstmord begangen. Zweifel daran verstummten bisher nicht.

Mittagsjournal, 23.05.2011

Esther-Marie Merz

Mythen und Rätsel

Schon einmal wurde das Grab des ehemaligen Präsidenten Salvador Allende geöffnet. Am 14. August 1990 sollte der einstige Leibarzt, Arturo Jirón, den Leichnam des gestürzten Präsidenten erstmals identifizieren. Bis zu diesem Zeitpunkt herrschten Zweifel darüber, ob sich Allendes Leiche wirklich in dem Sarg befand. Wie ist der 1970 gewählte sozialistische Präsident Chiles wirklich ums Leben gekommen, als am 11. September 1973 die Militärs unter der Führung von Augusto Pinochet das Regierungsgebäude in Santiago de Chile stürmten?

Selbstmord-These bestätigen

Patrico Bustos wird einer der zwölf Gerichtsmediziner sein, die Klarheit in die dunkle Vergangenheit Chiles bringen sollen: "Das Ministerium erwartet von uns, dass wir die Todesursache sowie die Umstände, unter denen Allende gestorben ist, definieren. Damit will die Regierung die These des Selbstmordes Allendes unwiderruflich bestätigen, sollte nicht wider Erwarten ein anderes Ergebnis ans Tageslicht kommen."

Selbstmord beobachtet

Der letzte, der Salvador Allende an jenem 11. September 1973 lebend sah, war Patricio Guijón, einer seiner Ärzte. Er wollte gerade eine Gasmaske in dem Raum holen, in dem sich Allende befand und wurde zum einzigen Zeugen des Augenblicks, als der Präsident den Schuss gegen sich abfeuerte, ein Augenblick, den Guijón nicht vergessen wird: "Ich sehe noch den Augenblick als er den Lauf der Waffe unterhalb seines Kinns ansetzte und abdrückte. Die Kugel durchschoss seinen Kopf und blieb in der Wand stecken. Sein Schädel zersplitterte, doch aufgrund seiner Kleidung konnte man ihn identifizieren."

Zweifel aufgekommen

Doch trotz Guijóns Zeugenaussage sind im Laufe der Jahre Zweifel darüber aufgekommen, ob Allende wirklich Selbstmord verübt hat oder vielleicht der tödliche Schuss doch aus einer anderen Waffe kam, so der Bergbau-Minister unter Allende, Jorge Arrate: "Wir dachten eine Zeitlang Allende sei umgebracht worden und es gab viele Theorien dazu. Doch die Zeugenaussagen, jener die anwesend waren, waren sehr bewegend und überzeugend."

Rätsel um zweiten Schuss

Zwei Schüsse aus zwei verschiedenen Waffen sollen laut Autopsieberichten den Tod von Salvador Allende herbeigeführt haben. Die Familienangehörigen des ehemaligen Präsidenten wollen nun wissen, von wem der zweite Schuss kam. Nach über 37 Jahren wird es für die Gerichtsmediziner eine Herausforderung sein, dieses Rätsel zu lösen, doch unmöglich sei dies Dank der neuen Technologien nicht, so Patricio Busto: "Die Gerichtsmedizin hat sich stark entwickelt. In drei Jahren haben wir Fortschritte erlebt, die früher in einem Zeitraum von 30 Jahren verzeichnet werden konnten. Dank neue Methoden und Techniken in der Wissenschaft und in der Gentechnologie werden wir den Leichnam heute ganz anders untersuchen können als noch vor dreißig Jahren."

Ob Salvador Allende sich selber umgebracht hat oder es ein assistierter Selbstmord war, bei dem ihm einer seiner anwesenden Ärzte den Gnadenschuss versetzte, nachdem der Präsident den ersten Schuss evtl. überlebt hatte - dies soll nun ein für allemal geklärt werden.