"Gefährliche Hunde" von Maxi Obexer
Migrationsschicksal von innen beleuchtet
Wird in den Medien über Migration berichtet, sieht man sich meist einer gesichtslosen Menschenmasse gegenüber. Der Roman "Wenn gefährliche Hunde lachen" unternimmt es nun, ein Einzelschicksal aus der Innensicht zu zeigen. Die Südtiroler Autorin Maxi Obexer beschreibt den langen Weg der Nigerianerin Helen durch die Sahara und Marokko nach Europa.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 25.05.2011
Halsbrecherische Fahrten auf rostigen Pick-ups, das Ausgesetzt-werden mitten in der Sahara durch einen skrupellosen Schlepper, schließlich das lebensgefährliche Übersetzen über die Straße von Gibraltar auf einem hoffnungslos überfüllten Boot. Die junge Helen schildert diese Ereignisse vornehmlich in Briefen an ihre Eltern und Geschwister.
Maxi Obexer hat ihrer Protagonistin eine ganz eigene, stellenweise sehr poetische Stimme verliehen. Der naive Dokumentarstil, der in solchen Fällen häufig gepflegt wird, habe sie nämlich nicht überzeugt, erzählt die Autorin: "Ich sehe nicht ein, warum afrikanischen Migrantinnen eine simple Sprache zugeordnet werden soll, nur aus der Scheu heraus, weil ich natürlich nicht wissen kann, wie das Innenleben einer afrikanischen Migrantin aussieht. Aber ich weiß, wie es einer Migrantin geht, ich kenne viele eigene Momente der Migration und des Weggehens und der Fremdheit."
Viele Gründe für Migration
Maxi Obexer hat zwei Reisen nach Nigeria unternommen und dort auch eine Helen kennen gelernt, an die sich ihre Hauptfigur anlehnt. Außerdem hat sie zahlreiche Interviews mit afrikanischen Migrantinnen in Europa geführt. Dass die Asylwerbenden immer verkürzt als Wirtschaftsflüchtlinge beschrieben würden, sagt Obexer, raube ihnen jegliche Individualität. Dabei sind es verschiedene Gründe, die diese Menschen nach Europa geführt haben: "Sie wollen in gerechten Verhältnissen leben, sie wollen arbeiten können, sie wollen auch den Mund auftun können, wenn ihnen etwas gegen den Strich geht und dafür nicht ins Gefängnis kommen. Das waren die Beweggründe der Leute, die ich interviewt habe - und das waren einige."
Auch, dass die Asylwerber aus bildungsfernen Schichten stammen, stimme nicht. So haben zahlreiche afrikanische Staaten eine Abwanderung gerade ihrer Intelligenzija zu beklagen. Maxi Obexer: "Es ist Usus, dass ganze Dorfgemeinschaften sich zusammentun und der oder dem Talentiertesten Geld geben, damit dieser es nach Europa schafft und dann von dort aus der Großfamilie oder Dorfgemeinschaft helfen kann."
Schlechte Behandlung der Asylwerber
Die Helen aus Obexers Roman hat in Nigeria als Journalistin gearbeitet. Ungläubig steht sie der Behandlung der Asylwerber durch die europäischen Medien gegenüber. Als sie mit ihrer Gruppe am Strand von Tarifa, am südlichsten Zipfel Spaniens, aufgegriffen wird, werden der Bürgermeister und die Behörden interviewt, die Asylwerber selbst, um die es eigentlich geht, aber nicht befragt, sondern sofort in Auffanglager geschafft.
Auf diese Weise wird verhindert, sagt Obexer, dass in der Öffentlichkeit so etwas wie Sympathie oder Verständnis für diese Auswanderer entsteht: "Das Auswandern ist in Europa eigentlich sehr positiv besetzt, denn es geht dabei ja um eine Form der Welteroberung und Weltneugier. Nur gestehen wir diese Eigenschaften den Afrikanern überhaupt nicht zu."
Nach der Buchpräsentation am 24. Mai 2011 ist Maxi Obexer am Mittwoch, 25. Mai, im Literaturhaus Wien in einer Diskussionsrunde zur Südtiroler Literatur zu erleben. Ihr Roman "Wenn gefährliche Hunde lachen" ist im Folio-Verlag erschienen.
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Maxi Obexer
Folio Verlag - Wenn gefährliche Hunde lachen