Dirigent Omer Wellber im Interview
"Rigoletto" im Theater an der Wien
Im Rahmen der Wiener Festwochen gibt es am Sonntag, 29. Mai 2011, im Theater an der Wien Giuseppe Verdis "Rigoletto" in einer Produktion von Luc Bondy zu sehen. Am Pult des RSO Wien steht der 29-jährige Israeli Omer Wellber, der als Shooting Star unter den jungen Dirigenten gehandelt wird.
26. April 2017, 12:23
Auch Daniel Barenboim hält ihn für einen der besten Newcomer am Pult weltweit und fördert ihn wo es nur geht. Er holte ihn als Assistent an die Berliner Staatsoper Unter den Linden, wo ihm auch der künstlerische Durchbruch gelang. Wellber arbeitete an der Mailänder Scala und ist Nachfolger von Lorin Maazel als Generalmusikdirektor in Valencia.
Kulturjournal, 27.05.2011
Susanna dal Monte: Omer Wellber, Sie sind in Israel geboren und haben dort die ersten künstlerischen schritte gemacht. Es fällt auf, dass dieses Land, so klein es ist, immer wieder große Musiker hervorbringt.
Omer Wellber: Auch wenn Israel so klein ist, gibt es wahnsinnig viele Möglichkeiten für junge Musiker. Allein rund um Tel Aviv gibt es sieben Orchester, und wenn man talentiert ist, wird man sofort gefördert und unterstützt. Ich hatte dort die besten Jahre: sieben in der Oper und Hunderte Konzerte mit meinem Orchester. Da habe ich viele wertvolle Erfahrungen gesammelt...
... und Daniel Barenboim kennen gelernt, der Sie sofort zu sich gerufen hat und bis heute ihr Mentor geblieben ist.
Das ist wahrscheinlich das größte Glück das ich je gehabt habe, denn man kann studieren, so viel man will, man kann Talent haben, aber einen echten Maestro wie Barenboim hinter sich zu haben, das ist nicht selbstverständlich und ein Riesen-Glück. Das macht den großen Unterschied, denn er verhilft einem zum letzten großen Sprung. Das ist Hilfe von höchstem Niveau.
Wie arbeiten sie miteinander? Wovon haben Sie am meisten profitiert?
Die Hälfte der Zeit sprechen wir über Politik und Geschichte und gar nicht über Musik. Aber das Wichtigste, was ich von ihm gelernt habe, ist vielleicht die Fähigkeit, von ihm zu lernen. Es ist schwierig auszudrücken, denn er ist so großzügig und schätzt es selbst immer noch sehr, von jemand anderem zu lernen, dass die Fülle seiner Angebote enorm ist. Das Wichtigste ist vielleicht, einem Mann nahe zu sein, der Musik ist, dessen Leben Musik ist und der gewillt ist, einem alles zu geben, was nur möglich ist. Einerseits muss man nehmen, was man bekommen kann, , andererseits muss man auch die Fähigkeit, anderen Menschen so viel zu geben, schätzen lernen.
Ihre Karriere geht rasend schnell voran - mit 29 Jahren sind Sie Chef in Valencia -, ist es manchmal nicht ein bisschen zu schnell gegangen?
Die Karriere geht schnell voran, ich hingegen langsam. Ich weiß nicht, wie ich es anderes sagen soll, denn ich wähle die Stücke sehr sorgfältig aus, überlege mir ganz genau, wo ich was mache, und nehme mir viel Zeit zu studieren und mich auf mich zu konzentrieren. Die Karriere kommt dann schon von selbst. Natürlich könnte ich viel mehr machen, aber ich studiere im Jahr maximal sechs Opern neu ein und nicht 15, mache nur Neueinstudierungen, anstatt im Repertoire-Betrieb herumzuspringen, und dirigiere nur an Orten, wo ich auch in Ruhe studieren kann. Ich denke, dass das eine gewisse Sicherheit gibt, um immer gut vorbereitet zu sein.
Sie komponieren auch, Ihre Werke wurden in Israel oft aufgeführt, aber in letzter Zeit gibt es da nichts Neues. Warum?
Es ist seltsam zu sagen, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, meine Musik zu dirigieren. Ich dirigiere lieber Musik anderer Komponisten, denn ich dirigiere besser als ich komponiere und deshalb spiele ich meine Musik nicht.
Sie leben in Berlin, kehren aber öfter im Jahr nach Israel zurück. Was denken Sie über die Gründung eines Palästinenserstaates, wie er im Herbst vielleicht ausgerufen werden soll?
Auf der einen Seite habe ich Angst, dass es einen Haufen Probleme verursachen wird - in Israel genauso wie bei den Palästinensern -, auf der anderen Seite würde endliche einmal jemand etwas tun, worauf man aufbauen muss. Es ist eine sehr komplizierte Geschichte. Wenn Barenboim und ich über die Situation sprechen, sind wir jedes Mal nach 15 Minuten deprimiert. Und trotzdem: Es bewegt sich etwas, und auch wenn die Rede von Netanjahu für Außenstehende nicht so erhebend gewesen ist, muss man sagen, dass gewisse Gedanken vor 15 Jahren nicht einmal in den Mund genommen wurden. Es gibt einen natürlichen Prozess, der nicht zu verhindern ist. Für meinen Geschmack geht es zu langsam vor sich, aber es gibt ihn.
Seit fünf Wochen arbeiten und proben Sie in Wien "Rigoletto". Wie gefällt Ihnen das Theater an der Wien?
Eigentlich ist das Theater perfekt, weil es nicht zu groß ist, aber groß genug, damit der Klang sich schön entfalten kann. Es ist ideal für die Sänger, denn sie können phrasieren anstatt zu brüllen, und es bleibt genügend Raum für eine breite Spanne an dynamischen Möglichkeiten, was sehr interessant ist.