Verkehrsexperte hält wenig von ÖBB-Privatisierung
"Ohne Subventionen keine Gewinne möglich"
Die ÖBB solle privatisiert werden, damit "das Werkl endlich funktioniert". Mit diesem Vorschlag sorgte Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) am Sonntag für Aufregung. Verkehrsexperte Wilfried Puwein ist skeptisch. Bisher seien strategische Partnerschaften von Staatsbahnen meist wenig erfolgreich verlaufen.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 6.6.2011
Schwarze Zahlen bis 2013?
Die ÖBB sind ein Sanierungsfall. Das zeigen die nüchternen Zahlen: Im Vorjahr hat die Bahn einen Verlust von 330 Millionen Euro gemacht - unter anderem durch Probleme im Güterverkehr. Im Durchschnitt gehen die ÖBB-Angestellten mit 53,5 Jahren in Pension. ÖBB-Chef Christian Kern hat einen ambitionierten Sanierungsplan vorgelegt. Er will tausende Mitarbeiter abbauen und bis zum Jahr 2013 wieder schwarze Zahlen schreiben.
Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) kann sich aber auch noch eine andere Art vorstellen, das Unternehmen zu sanieren. Sie spricht von einer Privatisierung, am besten mit einem strategischen Partner. Wie das genau aussehen könnte, sagt sie nicht. Nur so viel: das Mitspracherecht des Staates müsse erhalten bleiben.
Strategischer Partner
Ihr Parteikollege, ÖVP-Verkehrssprecher Ferdinand Maier hat zuletzt im ORF-Radio gesagt, wie er sich das vorstellen könnte. Er möchte sich einen strategischen Partner für die Privatisierung des Güterverkehrs holen, der auch "den Markt mitbringt, der den Markt kennt und teilweise auch bedient". Wer dieser strategische Partner sein könnte, will Maier nicht sagen. Vorstellbar wären aber Unternehmen, wie die Deutsche Bahn.
Europaweit am meisten Beachtung gefunden hat die Privatisierung der Bahn in Großbritannien vor 15 Jahren. Dort hat man auch die Schieneninfrastruktur privatisiert, was anfänglich zu erheblichen Problemen geführt hat. Die Briten haben die Privatisierung teilweise zurückgenommen. Danach hat sich die Zufriedenheit der Bahnkunden in Großbritannien deutlich gebessert.
"Strategische Partnerschaft problematisch"
Verkehrsexperte Wilfried Puhwein im Gespräch mit Andrea Maiwald.
Schlechte Erfahrungen mit Partnerschaften
Kann ein Verkauf oder Teilverkauf die Probleme der ÖBB wirklich so locker lösen, wie die Finanzministerin meint? Die Frage sei zunächst, wer die Bahn kaufen solle, sagt Wilfried Puwein, früherer ÖBB-Aufsichtsrat, langjähriger Experte für Verkehrspolitik im Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und derzeit an der Universität für Bodenkultur tätig. Soll es eine andere staatliche Bahn sein? "Da gibt es ja gewisse Erfahrungen, die die ÖBB selbst gemacht hat mit der ungarischen Güterbahn MAV Cargo. Das war nicht der große Erfolg."
Auch die Schweizer Bundesbahn ging eine strategische Partnerschaft mit der italienischen Staatsbahn ein, doch die Partnerschaft wurde bald wieder gelöst. Für die ÖBB käme am ehesten eine Partnerschaft mit der deutschen Bahn in Frage, sagt Verkehrsexperte Puwein: "Die deutsche Bahn ist wahrscheinlich interessiert am österreichischen Bahnnetz. Aber durch die Öffnung der Netze steht ihr das ja ohnehin zur Verfügung." Darum sei auch hier eine strategische Partnerschaft problematisch.
Private wollen Gewinne sehen
Die ÖBB ist ja eine Aktiengesellschaft und habe daher auch die Möglichkeit, Aktien zu verkaufen, so Puwein. Aber Käufer wollen längerfristig natürlich Dividenden sehen und diese wiederum seien abhängig von den Subventionen, die der Staat an die Bahn zahlt.
Auch hier gibt es Erfahrungen aus Großbritannien: Als der Staat die Subventionen kürzte, sanken die Dividenden und dementsprechend auch das Interesse der Privaten an der Bahn. Eine Sanierung der Bahn, sodass sie tatsächlich Gewinne abwirft, sei auch auf lange Zeit nicht möglich, glaubt Wilfried Puwein. Das funktioniere in Europa grundsätzlich nur mit massiven staatlichen Zuschüssen.
Vorbild Schweiz?
Unter Umständen habe die Schweizer Lösung eine gewisse Vorbildfunktion. Die Bahn gehört immer noch dem Staat, der Einfluss der Politik wurde aber völlig zurück gedrängt. "Aber auch hier muss man sagen: die Schweizer Bahn kommt ohne massive Staatsunterstützung nicht aus." Etwa 40 Prozent der Kosten trägt der Schweizer Staat.
Wilfried Puwein spricht sich für kleinere Auslagerungen aus. Die Bahn solle Leistungen, die sie nicht mehr selbst erbringen kann, zukaufen, wo es sehr wettbewerbsintensive Märkte gibt. Die betreffe vor allem Bereiche, wie den Reparatur- und Baudienst oder Reinigungen. Weiters sollen sich die ÖBB auf das Hauptnetz konzentrieren und hier gute Verkehrsleistungen anbieten.