Zwischen Hoffnung und Sorge

Symposion "Ägypten im Wandel"

Die vom Österreichischen Institut für Internationale Politik organisierte Veranstaltung ging der Frage nach, inwieweit sich nach der ägyptischen Revolution demokratische Kräfte durchsetzen können.

In der Wiener Diplomatischen Akademie diskutierten am Dienstag ägyptische Publizisten und Autoren - aber auch Aktivisten der Revolution, die danach politische Parteien gegründet haben.

Kultur aktuell, 08.06.2011

Was bringt die Wahl im Herbst?

Die euphorischen Tage der ägyptischen Revolution im Frühjahr sind vorbei. Aber es ist nicht aller Optimismus verflogen. So schien es jedenfalls bei der Tagung von ägyptischen Aktivisten und Polit-Experten beiderlei Geschlechts.

Seit dem Sturz des Despoten Mubarak ist eine Übergangsregierung von Gnaden des Militärrats im Amt. Im September soll ein neues Parlament gewählt werden, und in der Folge ein neuer Präsident.

Was kommt danach? Eine Rückkehr alter Günstlinge Mubaraks unter dem Deckmantel neuer Parteien? Oder ein Gottesstaat à la Iran? Das wohl kaum, hieß es gestern. Es gilt zwar als möglich bis wahrscheinlich, dass islamische Gruppierungen, allen voran die Muslimbrüderschaft, das Rennen bei den Wahlen machen. Aber, so der junge Autor und politische Kommentator Tarek Osman: Die ägyptische Mittelklasse wolle einen sanften Wandel und keine Konflikte - und radikale Eingriffe ins Gesellschaftsleben wie etwa eine Verschleierungspflicht für Frauen würden immer Spannungen mit sich bringen. "Die Klein- und Mittelunternehmer stellen inzwischen die Mehrzahl der Arbeitsplätze in der ägyptischen Wirtschaft. Für sie steht ökonomisch etwas auf dem Spiel - daher wollen sie keine Radikalisierung. Sie wollen nicht nach Österreich kommen und 20 Jahre als Kellner arbeiten - sie möchten in Kairo normal existieren", so Tarek Osman, der für Medien wie CNN die ägyptische Revolution kommentiert hat.

Die Rolle der Islamisten

Auch Maye Kassem, Politikwissenschaftlerin an der amerikanischen Universität Kairo, war in jenen Tagen eine bei internationalen Medien gefragte Expertin. Sie sieht die Zukunft skeptischer als ihr Kollege. Ein iranisches Szenario befürchtet sie zwar nicht, aber ein nicht unbedingt demokratisches Szenario. Die meisten Ägypter wollen nicht in erster Linie eine demokratische, sondern eine effiziente Regierung. Und die Islamisten seien effizient. Als sie in den 1980ern die meisten Gewerkschaften kontrollierten, hätten sie Betriebspensionen erhöht und die Gesundheitsvorsorge gerechter verteilt.

Islamische Parteien haben also beste Chancen in einem Land, wo von 83 Millionen 35 Prozent unter der Armutsgrenze leben. Trotzdem seien die Leute nicht für Brot auf die Straße gegangen, ist sich die junge Aktivistin Esra Abdel Fattah sicher. Sie gilt als Ikone der Revolution; ihre Inhaftierung wegen Organisation eines Streiks, und ihre regierungskritische Facebook-Gruppe machten sie berühmt.

Die Rolle der Frauen

Die Leute hätten nicht für Jobs demonstriert - sondern für Freiheit und Gerechtigkeit. Die Kultur der Angst in der Bevölkerung sei gebrochen - die Leute würden auch ein weiteres Mal gegen Unterdrückung auf die Straße gehen, hofft sie. Die charismatische junge Frau, die übrigens wie die meisten Ägypterinnen Kopftuch trägt, glüht vor Enthusiasmus und dem Willen, etwas zu bewegen. Auch wenn es um Beteiligung von Frauen an der Politik geht.

In offiziellen Kommittees gebe es praktisch keine Frauen, auch nicht im Komitee für die geplante Verfassungsänderung, kritisiert Esra Abdel Fattah. In Ägypten könnten die Frauen Ärztinnen oder Lehrerinnen werden - oder zu Haus bleiben. Selbst die Medien würden zu ihren Expertenrunden nur Männer einladen. Esra Abdel Fatah glaubt, dass in Ägypten eine demokratische Kultur installiert werden kann - aber nicht in Monaten, sondern in Jahren.

Neben ihr auf dem Podium saß Abou Elela Mady, der Vorsitzende der gemäßigt islamischen El-Wasat-Partei. Er hat vor Jahren die Muslimbrüderschaft verlassen, weil diese ihm die zu reaktionär war. Er spricht sich zum Beispiel für Minderheitenrechte im vollen Umfang aus. Eine islamische Partei dürfe etwa Christen nicht daran hindern, politische Ämter bis hin zum Präsidentenamt auszuüben.

Die islamischen Gruppierungen Ägyptens unterscheiden sich stark voneinander, viele sind vergleichsweise liberal, konnte man im Rahmen der Diskussion erfahren - wie auch sonst die ägyptischen Verhältnisse offenbar zu komplex sind, um sich auf die simplen Erklärungsmuster vieler westlicher Medien herunterbrechen zu lassen.

Textfassung: Joseph Schimmer