Arabische Autoren berichten
Lager für Intellektuelle in Libyen?
Der arabische Frühling schwankt zwischen Utopie und postrevolutionärer Stagnation. Stellungnahmen, die aufhorchen lassen, gaben Künstler aus arabischen Ländern in den letzten Tagen beim Poesiefestival in Berlin ab. Etwa jene, dass 40.000 Intellektuelle, Künstler und Journalisten derzeit in libyschen Konzentrationslagern sitzen.
27. April 2017, 15:40
Kulturjournal, 28.06.2011
Der Dichter Ali al-Jallawi, der in Bahrain bereits zwei Mal inhaftiert wurde, ist nie beim Berliner Poesiefestival angekommen.
Der Vorgang erinnert an die Verhaftung von Ai Weiwei, der im April auf dem Pekinger Flughafen verhaftet wurde. Solche Vorkommnisse sind bei Künstlern und Intellektuellen aus dem Nahen Osten keine Seltenheit.
Mittagsjournal, 27.06.2011
Leichen verbrannt
Dabei haben die Autoren aus der Region Spannendes zu erzählen - zum Beispiel der aus Libyen stammende Dichter Abdouldaim Ukwas. Er sagt über das System Gaddafi: "Gaddafi ist das absolute Böse er ist schlimmer als Osama Bin Laden und sollte von der ganzen Weltgemeinschaft verfolgt und beseitigt werden. Die Situation ist bei uns wie in Jugoslawien. Dort hat der Westen versagt. Bei uns könnte er etwas gutmachen."
Ukwas erzählt Schrecken erregendes: "Jeden Tag sterben Menschen, werden Frauen vergewaltigt, werden Menschen nicht nur getötet, sondern auch noch verbrannt und dann ins Meer geworfen. Dafür sind Söldner aus dem Ausland verantwortlich. Wir fühlen uns also wie ein besetztes Land. Gaddafi schickt sogar illegale Einwandere auf Booten nach Europa, gegen deren Willen, um die Europäer zu ärgern. Wenn Gaddafi bleibt, wird auch Europa leiden."
Gaddafi hat es besonders auf Autoren, Journalisten und Intellektuelle abgesehen. Rund 40.000 leben derzeit in Konzentrationslagern, berichtet Ukwas.
Service
Literaturwerkstatt Berlin- poesiefestival
Kritik oder Revolution?
Wie geht es weiter, nach der Revolution, welche Kämpfe stehen jetzt an und wie können Dichter dazu beitragen? In Berlin hörte man unterschiedliche Positionen. Die palästinensische Dichterin und Performerin Hind Shoufani hat in Dubai ein Autorenkollektiv gegründet, das sich "The Poeticians" nennt. Die Gruppe betreibt aggressive und oft auch sarkastische Kritik an den sozialen Zuständen, allerdings kritisiert sie nicht das Gastland Dubai oder das nahe Saudi Arabien. Da könne man schnell Ärger mit den Behörden bekommen und hält sich lieber zurück, sagt Shoufani.
Der ägyptische Hiphopper Deeb sieht das ganz anders. Er will die Revolution anregen und auch bei Laune halten: "Ich bin Hiphopper, Dichter, Beobachter, Revolutionär. Und ich bin mit einer bestimmten Idee von Ägypten aufgewachsen: den Büchern, Filmen und Geschichten meiner Eltern. Als ich ein paar Jahre weg war und zurückkam, bekam ich einen Kulturschock. Korruption, soziales Elend - nichts mehr von dem großen Gemeinsinn und der Leichtigkeit, der unser Volk einst ausmachte. Wir müssen zu unseren alten Werten zurück, und das drücke ich mit meinen Songs aus."
Was nach der Revolution kommt
Kann die Revolution nachhaltig sein? Dazu gab es bei der hochklassigen Diskussion in der Akademie der Künste leidenschaftliche, aber auch sehr nachdenkliche Antworten Es werde 20 Jahre dauern, bis eine neue Generation herangewachsen sei, eine gebildete Generation von Menschen, die nicht mehr auf Stereotypen setze, sagte der Hiphopper Deeb. Und die Kairoer Autorin Hend Hammam meint: Gerade in der arabischen Welt hätten die einfachen Menschen gar keine Vorstellung von politischen Prozessen und kein politisches Bewusstsein. Da stehe man erst ganz am Anfang.