Eine begehrte Hauptrolle

"Fräulein Else" in Reichenau

In Reichenau werden vier Theater-Neuproduktionen gezeigt. Als erstes hat "Fräulein Else" Premiere. Regie führt Alexandra Liedtke, die Ehefrau des Burgtheater-Chefs Matthias Hartmann. Als Else ist die erst 23-jährige, bisher wenig bekannte Merle Wasmuth zu sehen. Aufmerksamen Usern von oe1.ORF.at ist sie ein Begriff: Wasmuth wurde in der Ö1 Talentebörse proträtiert.

Kulturjournal, 01.07.2011

Die Rolle war heiß begehrt: Über dreißig junge Schauspielerinnen bemühten sich um den Part des Fräuleins Else in Reichenau. Am Ende wurde es Merle Wasmuth. Die 23-jährige Absolventin des Max-Reinhardt-Seminars in Wien war bisher in Nebenrollen am Burgtheater und in Fernsehproduktionen zu sehen. Nun eröffnet sie die Fetspiele Reichenau praktisch im Alleingang.

Rund achtzig Prozent der in Reichenau gezeigten Bühnenfassung von Schnitzlers "Fräulein Else" werden von der Titelfigur getragen.

Wasmuth sei genau die Richtige für diese Rolle, glaubt Regisseurin Alexandra Liedtke, die das Stück im Theater Reichenau inszeniert: "Das Schöne ist, dass sie eine sehr moderne, direkte Schauspielerin ist und trotzdem mit einem großen Pathos in die Rollen geht. Und das genau ist diese Else, die steigert sich von einer Situation in nächste hinein, sie springt zwischen Irrsinn und Verliebt-Sein hin und her und genau das kann Merle eben so gut.

Ein Fräulein als Snob

Man würde sie heute wohl als Snob bezeichnen: Fräulein Else, ein junges, aufmüpfiges Mädchen, stammt aus gutem Haus. Doch hinter der schönen Fassade tun sich Abgründe auf: Der Vater, ein angesehener Rechtsanwalt, ist zum wiederholten Male hochverschuldet; und mitten in der Sommerfrische in Italien erreicht Else ein Brief aus der Heimat: Sie soll den reichen Kunsthändler Herrn von Dorsday um Geld für den Vater bitten. Und dieser will nur unter einer Bedingung helfen: Else eine Viertelstunde lang nackt sehen zu dürfen.

Der innere Konflikt der jungen Frau ist das eigentliche Thema in Schnitzlers Novelle: Will sie ihre Würde behalten, oder soll sie ihre Familie retten und sich fügen? In Wirklichkeit kämpfe Else für ihre Freiheit und Integrität, erklärt die Regisseurin:

"Da finde ich sie sehr groß, weil die meisten würden das nicht tun. Sie wird oft als hysterisch oder feige interpretiert, aber genau das ist sie nicht. Weil sie eigentlich sagt: Ich gebe mich nicht hin, ich spiele dieses Spiel nicht mit, ich breche da aus."

Oberst Redl

Von Schnitzler könnte auch ein anderes Stück stammen, das heuer in Reichenau gezeigt wird, ist die Handlung doch zu Zeiten der untergehenden k. u. k.-Monarchie angesiedelt: "Spion Oberst Redl" ist allerdings brandneu, sein Autor heißt Nicolaus Haag, und die Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten.

Alfred Redl war ein begnadeter Offizier, ließ sich aufgrund seiner Homosexualität aber von den Russen erpressen und arbeitete für sie als Spion. Der Stoff wurde mehrmals verfilmt und wird nun erstmals auf der Bühne gezeigt. Zu sehen ist unter anderem Miguel Herz Kestranek als Erzherzog Franz Ferdinand.

Reichenau-Intendant Peter Loidolt zu dieser Produktion: "Wir haben dieses Stück eher aus diesem schnitzlerischen Bereich herausgenommen und haben einen richtigen Spionagethriller. Man bleibt darin atemlos bis zum Schluss. Wir haben auch eine andere Interpretation genommen. Das ist völlig legitim, weil niemand weiß in Spionagegeschichten, was wirklich dahintergesteckt ist."

Nächstes Jahr folgt "Anna Karenina"

Nicolaus Hagg hat sich bei den Festspielen Reichenau als Theaterautor bereits bewährt: So hat er vor zwei Jahren eine Bühnenfassung der "Strudlhofstiege" geschaffen; im kommenden Jahr, verrät Loidolt, wird er Tolstois Roman "Anna Karenina" dramatisieren.

Überhaupt hat man in Reichenau ein Faible für russische Autoren: Anton Tschechow ist regelmäßig vertreten; heuer ist eine prominent besetzte Inszenierung seines Dramas "Drei Schwestern" zu sehen. Regie führt Maria Happel, die vor allem als Burgschauspielerin bekannt ist. Sie hat 2004 bereits den "Kirschgarten" inszeniert und wird Tschechow von seiner komischen Seite zeigen.

"Tschechow hat immer gesagt: Das ist auch eine Komödie. Die 'Drei Schwestern' werden immer so hinuntergezogen in ein tief dramatisches, depressives Werk. Hier hat die Maria Happel wunderbar ein paar kleine Korrekturen angebracht - ich glaube Tschechow würde sich darüber freuen", sagt Loidolt, der in sämtlichen Produktionen für das Bühnenbild verantwortlich ist.

"Rosenkavalier" mit Stemberger und Holender

Als vierte Produktion wird in Reichenau heuer der "Rosenkavalier" gezeigt - und zwar die Komödie von Hugo von Hofmannsthal, aus der Richard Strauss später die weltberühmte Oper gemacht hat. Es spielen unter anderen Julia Stemberger und Martin Schwab; und wer auch den ehemaligen Staatsoperndirektor Ioan Holender als Schauspieler erleben will, sollte sich die letzten Restkarten für diese Produktion sichern.

Nicht fehlen dürfen in Reichenau auch heuer wieder zwei große Pianisten: Rudolf Buchbinder wird bereits am Sonntag, 3. Juli 2011 zwei Solokonzerte geben, sein russischer Kollege Oleg Maisenberg bestreitet dann am 31. Juli eine Matinee und einen Liederabend mit dem Bassbariton Robert Holl.