Keine Anlaufstelle für Opfer aus Bundesinternaten
Missbrauchsopfer: "Bund will vertuschen"
Schon lange wird eine staatliche Kommission für Fälle von sexuellem Missbrauch und Gewalt an ehemaligen Heimkindern gefordert. Die Kirche hat die Klasnic-Kommission, für Opfer aus staatlichen Internaten gibt es bislang aber keine Anlaufstelle. Ein ehemaliges Heimkind spricht über seine Erlebniss und seinen Kampf mit den Behörden.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 2.7.2011
Bernt Koschuh
"Sadistischer Erzieher mit Säbel"
"Der Bund will vertuschen, was mit uns geschehen ist." So sehen es ehemalige Internatsschüler wie Wolfgang Hoffmann. Noch heute leide er an den psychischen Folgen der Erziehungsmethoden in der Bundeserziehungsanstalt Saalfelden in den 70er Jahren. Als 10-Jähriger musste er stundenlang still auf einem Sessel sitzen. Ein sadistischer Erzieher sei mit einem Säbel herumgelaufen und hätte den Schülern Haarbüschel abgeschnitten.
Gewalt und sexueller Missbrauch
Nach einem Zusammenbruch wird Hoffmann von den Eltern aus der Schule genommen, kommt dann aber in den Konvikt des Bundes in Waidhofen, wo offenbar Gewaltexzesse geduldet wurden. Ältere Schüler hätten die jüngeren regelmäßig verprügelt, während die Erzieher lachend daneben standen. Hoffmann spricht von "Blutflecken an den Wänden". Auch zu sexuellen Übergriffen durch den Schuldirektor sei es gekommen.
"Kein schuldhaftes Verhalten"
Im Buch "Internatsgeschichten" hat Hoffmann seine Jugend kürzlich aufgearbeitet und sich mit der Bitte um eine Stellungnahme an Unterrichtsministerin Claudia Schmid gewandt. In einem ersten E-Mail wurde er als "Gegner" bezeichnet. Ein Schreiben der Finanzprokuratur vom März verweist darauf, dass die Sache verjährt sei und keine Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Verhalten von Bundesorganen gefunden worden seien. Dabei, so Hoffmann, habe die Finanzprokuratur keinen Betroffenen befragt.
Verhandlungen seit Jahresbeginn
Allerdings verhandelt das Unterrichtsministerium seit Jahresbeginn mit der Opferschutzorganisation Weißer Ring über Therapiekostenübernahmen für ehemalige Internatsschüler, Anerkennungszahlungen und eine Anlaufstelle, wie sie die Kirche und fast alle Bundesländer längst eingerichtet haben. Weißer Ring-Präsident Udo Jesionek, findet das "ungerecht" da die Betroffenen nicht wüssten, wohin sie sich wenden sollen.
Jesionek: "Kanzler soll Machtwort sprechen"
Fehlt es am Willen? Jedenfalls gibt es budgetäre Probleme, verkompliziert dadurch, dass es auch Internate gab, die zum Landwirtschaftsministerium gehörten und eine berüchtigte Erziehungsanstalt des Justizministeriums. Udo Jesioneks Appell: "Ich würde mir wünschen, dass sich alle zuständigen Ressorts zusammentun oder der Kanzler ein Machtwort spricht."
Aus dem Büro von Unterrichtsministerin Schmied und aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es gegenüber Ö1, man habe großes Interesse an einer guten Lösung. Allerdings scheint man in den Ministerbüros von Justiz- und Landwirtschaftsministerium bisher noch gar nicht über die Problematik informiert gewesen zu sein.
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