Röggla-Lesung in der Alten Schmiede

Japan vor Fukushima

Kathrin Rögglas Bücher sind immer stark in der Wirklichkeit verwurzelt. Am Montag, 4. Juli 2011 hat sie in der Alten Schmiede aus einem Reisebericht über Japan gelesen. "Tokio, Rückwärtstagebuch" heißt der Band und beleuchtet verschiedene Aspekte der japanischen Gesellschaft noch vor Fukushima.

Der Titel "Tokio, Rückwärtstagebuch" ist wortwörtlich zu verstehen, denn Kathrin Röggla lässt ihren Text mit dem Rückflug von Japan beginnen. Von dort aus kehrt sie in der Erinnerung zurück. An Orte wie den Jokanji, einen speziell den Prostituierten geweihten Tempel, oder zu Menschen wie einem geheimnisvollen Kunstmäzen, der auf den Namen Johnny Walker hört und von dem keiner weiß, woher er kommt.

In alle Richtungen streckt Kathrin Röggla ihre Fühler aus, dabei stand am Anfang des Projekts der Plan, sich Japan nur über ein einziges Thema zu nähern: "Ich wollte eigentlich nochmal etwas machen, was ich zuvor in Los Angeles und Berlin gemacht habe, nämlich mich mit dem Thema der Privatverschuldung auseinandersetzen. Mich hat interessiert, wie das in unterschiedlichen Kulturen anders läuft. Ich hab das dann nicht weiterverfolgt, weil sich herausgestellt hat, dass es ziemlich analoge Reaktionen gibt. Da hat Los Angeles eine größere Differenz zu Europa dargestellt als Japan."

Vorliebe fürs literarische Experiment

Kennt man Kathrin Rögglas Vorliebe fürs literarische Experiment, dann verwundert es nicht, dass sie ihr Buch gemeinsam mit dem deutschen Zeichner Oliver Grajewski verfasst hat. Der illustriert nicht nur Rögglas Texte, sondern hat auch seine eigenen Japanerfahrungen als Comic verarbeitet. Gleich nach dem Kunststudium hat Grajewski Japan erstmals besucht und damals die Mangas, die japanischen Comics, eingehend studiert.

Sein Unterrichtsmaterial suchte er sich aus dem Altpapier zusammen: "Da sind halt in zwei Meter hohen Stapeln die Mangas zusammengebunden, die nicht mehr gebraucht werden. Ich habe dann einen Stapel mit nach Hause getragen und mich eine Nacht durch 100.000 Seiten gewühlt und ein Bild rausgerissen oder eine Beispielseite, um einen Ordner anzulegen: Was gibt es hier eigentlich für Zeichenarten, von abstrakt über Underground bis zu den sehr realistischen Abbildungen, die eher filmisch sind."

Besuch im Katastrophen-Schulungszentrum

Nicht illustriert und damit der Fantasie des Lesers überlassen ist Rögglas Besuch eines Bozai-Centers. In diesen Katastrophen-Schulungszentren, die im ganzen Land existieren, wird man von Fachleuten im richtigen Verhalten bei Bränden und Erdbeben geschult.

"Da gibt es fast schon kleine Theaterinszenierungen. Das war bizarr - die Art und Weise, wie die Didaktik in diesem Rahmen funktioniert hat", so Röggla. Spektakulär wurde da die Katastrophe inszeniert und Röggla beschreibt, wie sie vom Trainer freudig erregt angehalten wurde, immer wieder "Feuer!, Feuer!" zu rufen.

"Mich hat das fasziniert, weil es ein Thema war, an dem ich damals schon arbeitete", so Röggla, "eben der Umgang der Gesellschaft mit Katastrophen, beziehungsweise der Katastrophen-Diskurs, was macht der mit unserer Öffentlichkeit, oder wie wird der instrumentalisiert oder was passiert da in unseren Köpfen, weil wir ja so etwas wie eine Katastrophisierung unserer Gesellschaft erleben."

Theaterstück mit Eva Jantschitsch

Derzeit arbeitet Kathrin Röggla an einem Theaterstück - übrigens gemeinsam mit der österreichischen Musikerin Eva Jantschitsch alias Gustav. Die Uraufführung von "Kinderkriegen. Ein Singspiel" wird am Münchner Residenztheater von Martin Kusej erfolgen.