Kino im Westjordanland

Cinema Jenin

In Dschenin - so die deutsche Schreibweise der nördlichsten Stadt des Westjordanlands - sind die meisten Menschen zum letzten Mal vor über 20 Jahren ins Kino gegangen. Damals hatte die Stadt eines der größten Lichtspielhäuser der Palästinensergebiete. Doch als 1987 die erste Intifada begann, wurden die Vorführungen eingestellt.

Kulturjournal, 07.07.2011

"Sich Filme anzusehen und sich zu amüsieren, passte einfach nicht in diese Zeit", sagt Hamad. "Deshalb ist das Kino dann ziemlich schnell verwahrlost." Lange Zeit sei in Dschenin, wo 2002 israelische Truppen einmarschierten, kaum an öffentliche Filmvorführungen zu denken gewesen. "Nach Sonnenuntergang konnte man manchmal kaum auf die Straße", sagt Hamad. Fast jeden Tag hätten palästinensische Milizen sich schwere Gefechte mit der israelischen Armee geliefert. Die Einschusslöcher an vielen Wohnhäusern erzählen noch heute davon.

Initiert von deutschem Regisseur

Zur Eröffnung des "Cinema Jenin" voriges Jahr gab es ein kleines Festival. Gefeiert wurde das Ende eines Projekts, das bereits im Jahr 2008 begonnen hatte. Der deutsche Regisseur Marcus Vetter hatte damals gerade den Dokumentarfilm "Das Herz von Jenin" gedreht, der inzwischen mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet wurde. "Als er fertig war, konnte Marcus sich nicht mehr so einfach von diesem Ort trennen. Die Menschen in Dschenin waren ihm ans Herz gewachsen", sagt der Projektleiter, der selbst aus dem Westjordanland stammt. "Deshalb wollte er der Stadt etwas hinterlassen, und ein Regisseur denkt natürlich als erstes an ein Kino."

Noch im selben Jahr gründete Marcus Vetter die multinationale Initiative "Cinema Jenin". Mit Hilfe von Spendengeldern aus aller Welt wurde am Wiederaufbau des alten Kinos gearbeitet. Verbände, Firmen und regierungsunabhängige Organisationen aus ganz Europa hätten Geld zu dem insgesamt 800.000 Euro teuren Projekt beigesteuert. Immer wieder seien Freiwillige aus der ganzen Welt angereist, um beim Bau mitanzupacken.

Skepsis bei der Bevölkerung

In der Stadt selbst schlug den Organisatoren des Projekts dagegen am Anfang vor allem Skepsis entgegen. "Viele Leute hielten zunächst nichts davon, dass hier immer mehr fremde Leute auftauchten", erinnert sich Hamad. "Aber dann haben die meisten schnell gemerkt, dass wir etwas Gutes planen. Und vor allem, dass wir sie selbst dabei einbinden wollen."

Etwa die Hälfte der Handwerker und Mitarbeiter, die sich an der Renovierung des Kinos beteiligten, stammen aus Dschenin. Viele von ihnen werden auch weiterhin beim "Cinema Jenin" beschäftigt. "Filmvorführer kann diese Stadt besser gebrauchen als Guerilla-Kämpfer", meint Hamad.

Text: APA, Red., Audio: ORF

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