Ernest Hemingways letzter Roman

Paris, ein Fest fürs Leben

Im letzten Woody-Allen-Film "Midnight in Paris" verbringt der Drehbuchautor Gil Pender einige Wochen im Paris der 1920er. Alle sind sie da: die Fitzgeralds, die sich betrinken; Hemingway, der sich auch betrinkt, Gertrude Stein, die den Roman von Gil liest und ihm wertvolle Tipps gibt. Einer, der diese Zeit erlebt und ihr mit einem Buch ein Denkmal gesetzt hat, ist Ernest Hemingway selbst.

Im Dezember 1921 war Hemingway mit seiner Frau in die französische Hauptstadt gekommen. Zuerst noch arbeitete er als Auslandskorrespondent für den "Toronto Star", dann versuchte er als freier Schriftsteller über die Runden zu kommen. Und genau diese Zeit des persönlichen Umbruchs behandelt das Buch "Paris - ein Fest fürs Leben".

Wir treffen einen Autor am Beginn seiner Karriere. Einen äußerst Hemingway'schen Hemingway. Das Geld ist knapp, aber das stört nicht. Lässt der Autor eben eine Mahlzeit aus; Hauptsache der Wein ist billig und der Whiskey wird von einem befreundeten Kellner gratis ausgeschenkt. Hemingway boxt mit Ezra Pound - der im Ring natürlich in keinster Weise mit Hemingway mithalten kann. Hemingway säuft mit F. Scott Fitzgerald, der an der Bar natürlich in keinster Weise mit Hemingway mithalten kann. Nach ein paar Whiskeys liegt der Verfasser des "Großen Gatsby" am Boden - wenn er nicht irgendwelche Leute belästigt. Hemingway hingegen leert seinen riesigen Flachmann mit stoischer Gelassenheit, ohne auch nur in irgendeiner Weise betrunken zu sein.

Hemingway über Hemingway

"A Moveable Feast", wie das Buch im Original heißt, erschien vier Jahre nach dem Tod des Autors. Es war das letzte Buch, an dem Hemingway geschrieben hat - zu einer Zeit, in der er von Depressionen und Schreibblockaden heimgesucht wurde. Das Buch ist also nicht nur persönliche Erinnerung - es ist auch Zeugnis, wie der Autor in Erinnerung behalten werden will.

Der alte Hemingway beschreibt den jungen Hemingway in Paris als durch und durch glücklichen Mensch. Ja, er ist arm. Ja, er und seine Frau und sein Kind müssen jeden Franc zweimal umdrehen. Aber was macht das schon; schließlich ist man in Paris, kann im Cafe schreiben und geht nach Vorarlberg schifahren. Der Schriftsteller entspricht hier ganz dem Klischee des modernen Autors. Geld ist egal - das Werk ist alles.

Wenn man wie Hemingway kurz darauf sehr erfolgreich wird, dann erscheint die Armut im Nachhinein im schönsten Glanz. Sie ist der Vorbote und die Verheißung des späteren Erfolgs. Ganz anders würde es sich wohl darstellen, wenn das Geld nicht gekommen wäre und der Autor arm geblieben wäre, dann hätte er die Armut wohl als jenen verdammenswerten Zustand beschrieben, die sie ist.

F. Scott Fitzgerald als Hypochonder

In Woody Allens Film werden die Figuren, denen der Protagonist begegnet, nicht so gezeichnet, wie sie wirklich waren, sondern so, wie Gil sie sich wünscht. Sie sind nichts anderes als Klischees. Ebenso verhält es sich bei Hemingway. Auch er zeichnet die Künstler, die er in Paris trifft, als Stereotypen.

Da gibt es Ford Maddox Ford. Hemingway kann ihn nicht leiden, das merkt man sofort. Für ihn ist er nichts anderes als ein beschränkter, von Vorurteilen besessener Engländer, der agiert und redet, als wäre er noch mitten im 19. Jahrhundert. Gertrude Stein ist die strenge Kritikerin, die je nach Lust und Laune Menschen verstößt oder fördert. Und F. Scott Fitzgerald ist nichts anderes als ein dummer, verzogener, verunsicherter Bub.

Einmal bittet Fitzgerald Hemingway, der möge doch seinen Penis begutachten. Zelda habe ihm nämlich gesagt, dass er zu klein sei und er deswegen keine Frau befriedigen könne. Hemingway nimmt Scott mit auf die Toilette, betrachtet dessen Glied und kann seinen Freund beruhigen. Alles in bester Ordnung. Scott glaubt ihm trotzdem nicht. Ist er doch - wenn man Hemingway glauben will - durch und durch Hypochonder. Als die beiden den offenen Renault der Fitzgeralds von Lyon nach Paris bringen wollen, werden sie vom Regen überrascht. Sie machen in einer kleinen Pension Halt und Fitzgerald ist davon überzeugt, dass er hier und jetzt an Lungenentzündung sterben werde. Er beruhigt sich erst, als Hemingway ihm ein riesiges, nicht mehr funktionierendes Badewannenthermometer unter die Achsel klemmt, es nach fünf Minuten herauszieht und verkündet: "Temperatur normal."

Einer Lebensart ein Denkmal gesetzt

Die letzten drei Kapitel des Buches, in denen sich Hemingway mit den Fitzgeralds beschäftigt, sind die besten des Romans. Er zeigt hier das angebliche Traumpaar des Jazz Age als zwei Verzweifelte, die sich gegenseitig ins Verderben stürzen. Zelda, schon damals bereits am Rande des Wahnsinns, ist ungeheuer eifersüchtig auf Scotts Arbeit. Jedes Mal wenn er versucht, etwas zu schreiben, überredet sie ihn, doch mit ihr etwas trinken zu gehen oder eine Party zu geben. Scott wird schwach, trinkt bis zur Besinnungslosigkeit, bringt wieder nichts zu Papier, verflucht sich, und nimmt sich vor, nun endlich mit dem Saufen aufzuhören und nur mehr zu schreiben. Bis zum nächsten Abend, bis zur nächsten Party.

"Paris - ein Fest fürs Leben" ist ein Buch, das sich schnell und gut liest. Es ist weniger historisches Dokument, als der Versuch, einer bestimmten Art des Lebens, in dem alles möglich erschien, ein Denkmal zu setzen. Hier wird ein Ort und eine Zeit evoziert, in der die Moderne wenn schon nicht geboren, dann doch wesentlich mitdefiniert wurde. Und so ist dieser Text auch eine Wehklage darüber, was einmal möglich war - und schon lange nicht mehr möglich ist.

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Ernest Hemingway, "Paris, ein Fest fürs Leben", aus dem Englischen übersetzt von Werner Schmitz, Rowohlt Verlag

Rowohlt - Paris, ein Fest fürs Leben
Ernest Hemingway