Jerry Della Femina über seine Werbeagentur

Der letzte Mad Man

Jerry Della Femina denkt gerne an seine wilde Zeit in den 1960er Jahren zurück, als er seine erste Werbeagentur eröffnete. Viele Szenen, die er in seinem Buch, "Der letzte Mad Man" beschreibt, finden sich in der TV-Serie "Mad Men" zwar wieder, doch ganz glücklich ist Jerry Della Femina mit der Umsetzung nicht. Das Lebensgefühl meint er, habe man nicht eingefangen.

"Die Fernsehserie dreht sich um die 1950er Jahre, gibt aber vor, dass sie in den 1960ern spielt", so Jerry Della Femina im Gespräch. "In den 50er Jahren haben die Leute getrunken, aber heimlich. In den 1960er Jahren passierte die kreative Revolution. Und in meinem Buch beschreibe ich, wie die Leute offen getrunken haben. Drogen waren überall; die Leute haben offen Haschisch geraucht. Es war eine andere Zeit. Es war die Zeit der großen Revolution. Leider gehören die Leute, die damals die Welt verändern wollten, nun zum Establishment. Sie sind so langweilig wie jene, gegen die sie einst rebelliert haben."

Beginn mit Eklat

Der deutsche Titel, "Der letzte Mad Man", knüpft an der Fernsehserie an. Doch der Originaltitel von Feminas Buch war ein ganz anderer und geradezu absurd lang. Er lautete: "From Those Wonderful Folks Who Gave You Pearl Harbor". Zu Deutsch: "Von diesen tollen Leuten, die Euch Pearl Harbor bescherten". Diesen Titel hatte er als junger Werber bei der Ted-Bates-Agentur für eine Kampagne vorgeschlagen.

"Es war mein erster Tag", erzählt Della Femina. "Alle sind um den Tisch gesessen: der Direktor, der Geschäftsführer, der Cheftexter und ich. Ich habe für damals viel Geld verdient. Und sie sagten dauernd: Wir müssen etwas für die Japaner tun, sonst verlieren wir den Etat. Konkret ging es um Panasonic. Schließlich hat's mir gereicht. Sie waren auch alle so schrecklich spießig. Und ich sagte: Ich hab's, ich hab's! Und alle schauen mich an - mich, das Genie, das sie gerade erst angestellt haben. Und ich sage: Die Headline sollte sein, 'Von diesen tollen Leuten, die Euch Pearl Harbor bescherten'. Dem Direktor fiel die Pfeife aus dem Mund. Dabei fiel Glut heraus und verbrannt ihm die Hose. Es war nicht sehr klug von mir, so etwas zu sagen."

Die Headline wurde natürlich nicht verwendet. Aber immerhin, so Jerry della Femina, dieser Episode verdankt er einen ungewöhnlichen Buchtitel.

Eine wilde Zeit

"Der letzte Mad Man" ist eine salopp geschriebene Autobiografie mit Einsichten in den Alltag und die Dynamik der damals aufblühenden Werbebranche. Nach den zahlreichen Schnurren zu schließen, waren die 1960er Jahre in der New Yorker Werbeindustrie eine wilde Zeit.

Als 1. Preis spendete die Agentur dem populärsten Mann und der populärsten Frau ein Wochenende im Plaza-Hotel. In einem Zimmer, versteht sich. Der 2. Preis war eine Nacht im Plaza, und der 3. Preis: eine ungestörte Nacht auf der Couch in Jerry Della Feminas Büro.

Niedergang in den 1980ern

In den 1980er Jahre, erinnert sich der Autor, war es dann mit der Party vorbei: "Die Werbung und die Geschäftswelt legten mehr Wert auf Gewinn. Wir verloren etliche potenziell sehr talentierte Werbeleute, weil sie lieber Investmentbanker wurden. Nach dem College gingen die Leute gleich an die Wall Street. Sie gingen nicht in die Werbung, sie malten nicht oder verlegten Bücher. Stattdessen entschieden sie für das Geschäft, Geld zu verdienen, um mehr und mehr Geld zu verdienen. Als ich meine Agentur hatte, war es mir egal, ob wir einen Gewinn schrieben oder nicht. Wichtig war, dass ich mir selber und den Mitarbeitern ein ordentliches Gehalt zahlen konnte, dass jeder seine Krankenversicherung hatte und zufrieden war. Darüber hinaus war es mir egal, ob am Ende des Jahres ein Dollar Profit übrig blieb oder nicht."

Dass Jerry Della Femina in der Werbung landete, verdankt er einer Mischung aus Glück und Zielstrebigkeit. Er wurde 1936 im New Yorker Stadtteil Brooklyn in eine Arbeiterfamilie hineingeboren. Schon neben der Schule musste er Geld verdienen.

"Mit 16 Jahren hatte ich einen Job als Bote für die 'New York Times', erzählt Della Femina. "Nach der Schule fuhr ich um drei Uhr nach Manhattan, auf die 43. Straße, und machte meine Runden bei den Werbeagenturen. Ich war jung und wusste nicht, was ich werden sollte. Aussichten hatte ich kaum. Ich erinnere mich noch: Das saßen Leute mit den Füßen auf dem Tisch und rauchten Zigarre. Und ich habe gefragt: Was macht der Mann? Er ist ein Texter, war die Antwort. Ich fragte weiter: Und wieviel verdient er? 60.000 Dollar im Jahr. Mein Gott, dachte ich mir, 60.000 Dollar im Jahr dafür, dass man die Füße auf den Tisch legt, das will ich auch machen."

Wichtiges als Vertreter gelernt

Es sollte noch gut sieben Jahre dauern, bis er seinen ersten Posten bei einer Werbeagentur bekam. Bis dahin nahm Jerry Della Femina jeden Job an, den er kriegen konnte: Kellner, Scheckbote für Banken oder Vertreter. Das Vertreterdasein lehrte ihn Nützliches für die spätere Karriere in der Werbung, sagt er:

"Wenn ich an die Tür klopfte, hatte ich zehn Sekunden, um etwas Wichtiges zu sagen. Sonst würde mir die Frau die Tür vor der Nase zuschlagen. Also lernte ich, etwas Wichtiges in den ersten zehn Sekunden zu sagen. Das ist im Prinzip eine Headline. Und dann lernte ich noch etwas: Wenn man gut angezogen ist, macht die Frau die Tür viel schneller auf, als wenn man wie ein Landstreicher ausschaut. Und das ist die Kunst der Präsention, was man in der Werbung Art Direktion nennt."

In seiner langen Karriere zog Jerry Della Femina illustre Etats an Land: Seine Agentur warb unter anderem für die Fluggesellschaft Pan Am, für die Chemical Bank, für das deutsche Bier Becks und das Nachrichtenmagazin "Newsweek".

Geämderte Werbung durch Internet

Die Zukunft der traditionellen Werbung sieht Jerry Della Femina nicht allzu rosig: "Die Werbung hat sich sehr verändert. Die Leute lesen keine Zeitungen mehr. Junge Leute verbringen ihre Zeit am Handy oder über ihrem iPad. Die Kunden interessieren sich alle für Twitter und soziales Networking. Doch niemand weiß eigentlich, wie erfolgreich das Web 2.0 ist. Vielleicht ist das die nächste Blase, die platzt. Aber jeder will bei den sozialen Netzwerken mitmischen, und dorthin tragen die Firmen ihre Werbedollars. Ich muss oft lachen: Einige Firmen glauben tatsächlich, wenn die Leute auf Facebook 'like' anklicken, dann entscheidet das über den Erfolg oder Misserfolg eines Produktes."

service

Jerry Della Femina, "Der letzte Mad Man. Bekenntnisse eines Werbers", aus dem Amerikanischen übersetzt von Fred K. Prieberg, Berlin Verlag

Berlin Verlag - Der letzte Mad Man

Übersicht

  • Gewerbe