Machtkampf entschieden
Erdogan ordnet Militär neu
In der Türkei muss nun nach dem Rücktritt der ranghöchsten Generäle das Militär neu geordnet werden. Gelegenheit dazu bietet die halbjährliche Sitzung des "Hohen Militärrates" in Ankara. Es wird erwartet, dass der bisherige Kommandant der Gendarmerie zum neuen Generalstabchef ernannt wird.
8. April 2017, 21:58
Frühjournal, 01.08.2011
"Kein Machtvakuum"
Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist die gesamte Militärführung losgeworden, samt und sonders seine größten Feinde: Der Generalstabschef sowie die Kommandanten der Armee, der Luftwaffe und der Marine haben sich gleichsam selbst ausgeschaltet, und die Regierung kann jetzt zur Tagesordnung übergehen. "Alles geht seine geregelten Gang", erklärt Staatspräsident Abdullah Gül, es gebe kein Machtvakuum.
Gendarmerie-Chef leitet Militär
Gül hat bereits einen neuen Oberkommandeur des Heeres bestimmt: Es ist General Necdet Özel, bislang Chef der Gendarmerie. Der 61-Jährige stammt aus einer alten Soldatenfamilie und hat sich, so heißt es, nie in die Politik eingemischt. Er soll auch neuer Generalstabschef werden. Erdogan hat ihn sofort nach dem Rücktritt der gesamten Militärführung zu einem Gespräch geladen und damit signalisiert, dass er sich von den Militärs nicht überrumpeln lässt und er, Erdogan, die Entscheidungen trifft.
Machtkampf entschieden
Heute wird Erdogan gemeinsam mit Özel die halbjährliche Sitzung des Hohen Militärrates leiten. Weitere Rücktritt führende Militärs werden dabei nicht ausgeschlossen. Für einige strikt säkularistische Generäle dürfte die Sitzung das Ende ihrer Karriere bedeuten. Darunter sind einige, die sich stets geweigert haben, den frommen muslimischen Präsidenten Gül zu grüßen. Aber jetzt nach dem beispiellosen Rücktritt des Militärs hat sich das Verhältnis zwischen Politik und Streitkräften grundlegend gewandelt. Der Machtkampf zwischen dem säkularistischen Militärs und der religiös-konservativen Regierung ist zumindest vorläufig zu Ende. Und der Sieger heißt Erdogan.
Weg in die EU
Erdogan Ziel ist es unter anderem, mit der Entmachtung des Militärs die Chancen für einen Beitritt zur Europäischen Union zu verbessern. Türkei Experte Cengiz Günay glaubt nicht, dass das reichen wird.