Der jüngste Staat der Welt steht vor großen Aufgaben
Geduld und Durchhaltevermögen
Gerade mal einen Monat ist es her, dass der Südsudan unabhängig wurde. Die junge Republik hat große Herausforderungen zu bewältigen, um den acht Millionen Einwohnern eine gesicherte Zukunft zu bieten. Eine wichtige Säule wird die Bildung sein. Korrespondentin Monika Kalcsics hat eine Volkschule im Südsudan besucht.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 6.8.2011
Monika Kalcsics
Eines von drei Kindern stirbt
Die neue Regierung wird bis zu den nächsten Wahlen 2015 und wohl auch darüber hinaus internationale Hilfe benötigen. Der Südsudan ist eine der ärmsten Regionen der Welt. Mehr als die Hälfte der Menschen lebt unterhalb der Armutsgrenze. 30 bis 40 Prozent der Kinder sterben. Und 80 Prozent der Frauen sind Analphabeten. Allein an diesen nüchternen Zahlen, hinter denen so viel individuelles Leid steht, sieht man: Geduld und Durchhaltevermögen wird für den Aufbau des 54. Staates Afrikas notwendig sein. Der Bildung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Schulwege: Bis zu 12 Kilometer lang
Im Südsudan in die Volksschule zu gehen, ist keine Selbstverständlichkeit. Dabei sind es nicht die bis zu 12 Kilometer langen Schulwege, die zu Fuß bewältigt werden müssen, und die Kinder vom Unterricht abhalten. Es sind vor allem die fehlenden Schulen und die fehlenden Lehrer, die den Bildungszugang hier so schwer machen. Das erklärt Joseph Luciano Giyo, Volksschuldirektor aus Nzara im südwestlichen Bundesstaat Western Equatoria State.
"Während des Bürgerkrieges konzentrierte sich hier alles auf den Befreiungskampf“, so Giyo. „Es gab kaum Chancen auf Bildung. Lehrer und auch ältere Schüler wurden immer wieder an die Front geschickt."
Akuter Mangel an Lehrern
Neben dem Aufbau der durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg zerstörten Schulen muss der Südsudan jetzt auch in die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer investieren. UN-Agenturen wie UNICEF, aber auch Hilfsorganisationen wie Caritas unterstützen den jungen Staat bei der Bildungsarbeit. Die neuseeländische Ordensschwester Margrete von der Kongregation der Comboni leitet das Lehrer-Trainingszentrum in Nzara.
Viele Lehrer, mit denen wir sie derzeit arbeiten, hätten nur einen Hauptschulabschluss, erzählt sie aus dem Schulalltag. "Während des Krieges haben hier viele freiwillig, aber ohne Ausbildung unterrichtet, weil sie zumindest irgendetwas für die Kinder tun wollten", so die Ordensschwester. Noch ist es der Regierung aber nicht gelungen, die notwendigen Schritte für eine funktionierende Lehrerausbildung in Angriff zu nehmen.
Landwirtschaft Opfer der Krieges
Ein weiteres Opfer des jahrzehntelangen Krieges ist die Landwirtschaft. Fruchtbares Land gibt es vor allem im Südwesten des Landes mehr als reichlich, aber es muss wieder urbar gemacht werden. Denn durch die vielen Vertreibungen und Kämpfe seit Mitte der 1950er Jahre, ist das Wissen für den landwirtschaftlichen Anbau verloren gegangen. Der Agraringenieur Tartiziu Wandu Bimo ist von der Caritas aus Österreich angestellt worden, um seinen Landsleuten die existenzsichernde Feldbewirtschaftung wieder beizubringen.
Die Entwicklung der Landwirtschaft stehe stets am Anfang, so Bimo. "Wir müssen hier wieder Getreide und Mais anbauen, dann schaffen wir es auch, die Armut hier zu bekämpfen."
Mangelhafte Gesundheitsversorgung
Neben Bildung und Landwirtschaft muss auch die Gesundheitsversorgung im Land aufgebaut werden, damit der neue ostafrikanische Staat auf einem starken sozialen Fundament stehen kann. Die Menschen sterben hier an heilbaren Krankheiten wie Malaria, weil es weder ausreichend Medikamente, noch genügend medizinisches Personal gibt. Die Krankenschwester Amalia Sinorico hält in einem vom Krieg zerstörten Krankenhaus an der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik die Stellung, weil sie die Bevölkerung wenigstens notdürftig versorgen möchte. Menschen mit Schnittwunden genauso, wie Mütter bei der Geburt.
Gewaltige Aufgaben: Fremde Hilfe nötig
Wenn ich sie Präsidentin des Südsudans wäre, so Sinorico, dann würde sie als erstes die vom Krieg zerstörten Orte aufbauen, sich unter ihre eigenen Leute begeben und sie fragen: "Was braucht ihr? Was sind Eure Vorschläge für die Zukunft unseres Landes?"
Die junge Republik steht vor gewaltigen Aufgaben. Es ist im Land allen klar, dass diese ohne fremde Hilfe nicht bewältigt werden können. Was der Südsudan jetzt braucht, ist professionelle Unterstützung von der internationalen Gemeinschaft, damit die Chancen für den Aufbau eines souveränen Staates bis zu den ersten freien Wahlen 2015 gewährleistet sind.