Ein Positivbeispiel aus dem Kosovo

Serbisch-albanisches Zusammenleben

Die Mehrheit der etwa 100.000 Kosovo-Serben lebt im Süden, vor allem in ländlichen Gebieten. Eine dieser Enklaven ist der frühere Wintersportort Strpce. Hier wird trotz vieler Schwierigkeiten versucht, gemeinsam zu leben und die tiefen Wunden zu überwinden, die beide Völker trennt.

Mittagsjournal, 08.08.2011

Reportage von Christian Wehrschütz

Wirtschaftlicher Niedergang

Die Gemeinde Strpce liegt im Grenzgebiet zu Mazedonien. Die Berge ragen hier bis zu 2.500 Meter auf, und die bewaldeten grünen Hügelketten erinnern an das wanderbare Österreich. Zur Gemeinde gehört das einst beliebte Schigebiet Brezovica; doch Hotels und Liftanlagen sind völlig veraltet, der Asphalt auf der Zufahrtsstraße ist oft aufgesprungen, der Müll verschandelt die Umwelt, und den Einstieg eines westlichen Investors verhinderte bisher der Streit mit Serbien um das Eigentum.

Seit den Gemeinderatswahlen vor mehr als einem Jahr regiert in Strpce Bürgermeister Bratislav Nikolic; er ist bereit mit den Kosovo-Albanern zusammenzuarbeiten, nicht zuletzt um der lokalen Wirtschaft neue Impulse zu geben. Die Hälfte der 16.000 Bewohner ist offiziell arbeitslos. Von der Krise betroffen sind serbische Mehrheit und auch die 3.000 Albaner, die in Strpce leben.

Den jahrelangen Niedergang beschreibt Bratislav Nikolic so: "Einst gab es hier bis zu 5.000 Schafe, heute haben wir keine hundert. Heute essen wir sogar Lammfleisch aus Brasilien, und das ist eine große Schande für uns alle. Da zeigt sich wohin unsere Wirtschaft geht, denn wir haben nicht genug Investitionen in Landwirtschaft und Viehzucht."

Verständigung per Dolmetsch

Positiv bewertet der Bürgermeister die Beziehungen zu den Albanern; diese Meinung teilt auch der albanische Gemeinderat Rifat Rustemi, doch wirklich zufrieden ist Rustemi nicht: "Befolgt wird die Zweisprachigkeit nur in der Verwaltung. Nicht in Ordnung sind die serbische Fahne vor dem Gemeindeamt sowie die Aufschrift in Cyrillisch, auf der "Republik Serbien" steht, denn Strpce liegt im Kosovo. Die Serben stört das nicht, und es fehlt auch der Wille, das zu lösen."

Trotz der Kritik arbeiten Rustemi und Nikolic recht gut zusammen; die Verständigung funktioniert aber nur mit Hilfe einer Dolmetscherin, weil keiner die Sprache des anderen beherrscht. Dieses Problem trifft auch die Jugend; in ihren Schulen lernen beide Völker zwar Englisch, nicht aber die Sprache des Nachbarn.

Erschwerte Verwaltung

Zu kämpfen haben die kooperationswilligen Serben nicht nur mit fehlender Unterstützung aus Belgrad, sondern auch mit dem Widerstand lokaler Serben in Strpce. Die Gegner der Zusammenarbeit mit den Albanern verloren zwar die Lokalwahl, das Gemeindeamt geräumt haben sie aber nur zum Teil. So sitzen die Gegner unter einen Dach und das erschwert die Verwaltung. Hinzu kommen Ängste, die in Strpce der serbische Fotograph Radojko Kecic formuliert: "Alle Berührungspunkte nützen den Albanern, bzw. dienen dazu, einen unabhängigen Staat zu schaffen, der sich dann mit Albanien vereinigen kann. Wenn alles nach ihrem Willen geht, wird es hier keine Serben mehr geben."

Doch es gibt auch Positives. Dazu zählt der Bau eines Krankenhauses, in dem 120 Personen Arbeit finden sollen. Hinzu kommt die Bewegungsfreiheit. Die KFOR muss die Serben nicht mehr schützen, und an den Wachtposten von einst erinnert in Strpce heute nichts mehr.