Der Sänger Richard Tauber

Dein ist mein ganzes Herz

"Es hätte nicht viel gefehlt, erzählte mir meine Mutter, dass ich eines Abends während der Vorstellung auf der Bühne, mitten im Lied von der Liab' und der Treu' und der Falschheit, das Rampenlicht erblickt hätte. Doch meine Mutter konnte ihre Partie mit knapper Not zu Ende singen. (...) Noch vor Mitternacht des 16. Mai 1891 betrat ich laut schreiend die Weltbühne."

So lautet eine Anekdote, die Richard Tauber im Laufe seines Lebens immer wieder gerne von sich gab. Biografische Hardliner platzierten die Geburt des Sängers gar auf die Hinterbühne des landschaftlichen Theaters von Linz. Aber schon der Reporter in John Fords Westernklassiker "Der Mann, der Liberty Valance erschoss" wusste es besser: "Wenn die Legende Wahrheit wird - druck' die Legende."

Zwischen Winter- und Sommersaison

Und wie sieht es mit der Wahrheit aus? Die Wahrheit beginnt damit, dass am 16. Mai 1891 im Landschaftlichen Theater in Linz schon knapp drei Wochen lang nicht mehr Theater gespielt wurde, weil die Wintersaison bereits zu Ende gegangen und das Linzer Schauspieler/innen-Ensemble schon längst an den Sommerspielort nach Marienbad in Böhmen übersiedelt war. Setty Seyfferth, seit 14 Jahren Mitglied des Theaters, blieb in Linz zurück und brachte dort ihren Sohn zur Welt.

Ihr zur Seite standen ihre Mutter, ihre Tochter aus erster Ehe und der Vater des Kindes, der Schauspieler Anton Richard Tauber. Der befand sich nicht in den USA, wie es eine weitere Legende besagt, sondern spielte bis knapp vor der Geburt auf den Brettern des Marienbader Sommertheaters. Dorthin kehrte er wenige Tage, nachdem sein Sohn zur Welt gekommen war, zurück, allerdings für seine Verhältnisse völlig unkonzentriert, so dass er häufig auf die Hilfe des Souffleurs angewiesen war. Auch wenn der Mutterschutz in jenen Tagen noch nicht griff, war Setty Seyfferth nicht gezwungen, wenige Tage nach der Geburt wieder auf der Bühne zu stehen. Ihr erster Auftritt erfolgte nach einer zweimonatigen Babypause.

Warum sich über viele Jahrzehnte das Geburtsjahr Richard Taubers mit 1892 im kollektiven Gedächtnis der Fans festgesetzt hat, bleibt einstweilen ein Rätsel. Diese Jahreszahl war so verbreitet, dass sie sich sogar lange Zeit auf der Gedenktafel von Taubers Geburtshaus, des "Schwarzen Bären", eingraviert fand. Inzwischen ist sie auf "1891" ausgebessert worden, doch man kann bis heute, wenn man die Tafel in der Linzer Herrengasse genau inspiziert, noch immer den blassen Zweier des falschen Geburtsjahres erkennen.

Eine Stimme wie ein "Zwirnsfaden"

Eine andere beliebte Geschichte aus dem Richard-Tauber-Anekdotenrepertoire ist jene vom Hofopernsänger Leopold Demuth, der die Stimme des jungen Tauber als "dünn wie ein Zwirnsfaden" beurteilte. Auch diese Story muss relativiert werden. Schwache Stimmen wurden auch schon bei Taubers Eltern vonseiten der Kritiker beanstandet, was den Karrieren der beiden Schauspieler aber keinen Abbruch tat.

Taubers Mutter Setty Seyfferth, die mehr als fünfzig Jahre ihres Lebens auf der Bühne stand, entwickelte sich zum absoluten Bühnenliebling in Theatern der k. u. k. Monarchie von Innsbruck bis Hermannstadt. Der um 14 Jahre jüngere Vater Anton Richard Tauber, der im Rollenfach des "ersten Liebhabers" besetzt wurde, gehörte ab den 1880er Jahren ebenfalls zu den Bühnenlieblingen, trotz heiserer Stimme. Ein schlechter Rat des Schauspielers und Theaterprinzipals Ludwig Barnay, sich zwecks Verbesserung des Sprechens die Mandeln herausoperieren zu lassen, kostete Taubers Vater beinahe völlig das Stimmorgan.

Talent von Mutter und Vater geerbt

Eine weitere Legende taucht in Tauber-Geschichten auf: Der Sänger sei ein schlechter Schauspieler gewesen, heißt es. Liest man die Theaterkritiken aus der Zeit vor seiner schweren Rheumaerkrankung, die Tauber im Frühling 1929, knapp vor seinem größten Erfolg, dem "Land des Lächelns", erlitt und die ihn von da an körperlich stark einschränkte, werden die schauspielerischen Fähigkeiten des Künstlers mit seinen gesanglichen gleichgesetzt.

Das Gesangstalent der Mutter und das Schauspieltalent des Vaters dürften in gleichen Teilen auf Richard Tauber übergegangen sein. Natürlich – übrig geblieben ist von Richard Tauber das Bild, das sich durch seine wenigen Spielfilme nach 1929 verstärkt hat: ein klobiger, steif wirkender, korpulenter Mann, dessen schauspielerische Mittel bescheiden wirkten. Hier teilt er das Schicksal quasi mit Größen wie Franz Liszt und Joseph Haydn, die in ihrer visuellen Rezeption nur als alte Männer in Erinnerung geblieben sind.

Gasse in Inzersdorf

Dass in Wien-Hernals eine "Taubergasse" existiert, ist hingegen keine Legende. Benannt ist sie nach dem Tuchhändler Kaspar Tauber, der im Jahr 1524 in Wien hingerichtet wurde, weil er die Lehren Martin Luthers nicht widerrufen wollte. Aber auch an einen der größten Tenöre des 20. Jahrhunderts wird seit 2008 erinnert. In der südlichen Peripherie Wiens, an der Rückseite der Inzersdorfer Obst- und Gemüsehallen, wurde die ehemalige Metzgerstraße in Richard-Tauber-Gasse umbenannt. Das Reversieren in dieser Gegend wurde erheblich erleichtert, nachdem ein Stück Feldweg, benannt nach der legendären Chansonsängerin Greta Keller, zur Verbindungsspange wurde.

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