Rudolf Habringers neuer Roman
Engel zweiter Ordnung
Der oberösterreichische Schriftsteller Rudolf Habringer wird von vielen als Geheimtipp gehandelt. Dabei hat sich der 51-Jährige in den letzten Jahren mit - von der Kritik hochgelobten - Erzählbänden und vor allem auch mit dem Roman "Island-Passion" einen guten Namen gemacht. Im Picus-Verlag hat Rudolf Habringer nun seinen fünften Roman vorgelegt: "Engel zweiter Ordnung", eine abgründige Ehebruchsgeschichte mit Thriller-Elementen.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 17.08.2011
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Rudolf Habringer, "Engel zweiter Ordnung", Picus Verlag
Rudolf Habringer weiß, wie man eingängige Szenen und Dialoge schreibt. Darüber hinaus hat er ein sicheres Gespür für den effektvollen Aufbau von Geschichten - Qualitäten, die der 51-jährige auch in seinem neuen Roman stilsicher zum Einsatz bringt. "Engel zweiter Ordnung" erzählt vom Schicksal des oberösterreichischen Germanisten Arnold Walter, der es - obwohl er während eines Bootsunfalls auf dem Traunsee der 1960er Jahre als Kind schwer traumatisiert worden ist - zum renommierten Universitätsprofessor in Regensburg bringt. Der tödliche Bootsunfall, bei dem Arnold als Bub seinen Vater verliert, bildet die plakative Auftaktszene des Romans.
"Es ist tatsächlich so, dass ich ein reales Unglück am Traunsee recherchiert habe", sagt Rudolf Habringer. "Es hat ja immer wieder Unfälle gegeben, aber ein besonders tragischer Fall hat sich in den 1960er Jahren ereignet. Das ist der Ausgangspunkt meines Romans - und eigentlich auch der Kern, weil alle handelnden Figuren, ohne es zu wissen, schon auf kleinem Raum beisammen und versammelt sind."
Biedermann trifft Jugendliebe
Im Hauptteil des Romans lernen wir Arnold Walter als erfolgreichen Universitätsmann in den besten Jahren kennen. Das Trauma seiner Kindheit scheint der selbstbewusste, aber etwas biedere Akademiker längst verarbeitet zu haben, nur Katharina, seine Jugendliebe aus Gmunden, geht ihm nicht so recht aus dem Kopf.
Eines Tages trifft Arnold Walter Katharina wieder, durch Zufall, sie ist mit einem prominenten SPÖ-Politiker verheiratet. Und der Herr Professor - altes Herz wird wieder jung - beginnt eine Affäre mit der immer noch recht attraktiven Frau.
Die Konflikthaftigkeit der Polygamie
Für außereheliche Beziehungen bringt Autor Rudolf Habringer, rein literarisch gesprochen, ein gewisses Verständnis auf: "Die Forschung sagt heute, dass wir genetisch eher polygam gebaut sind", meint Habringer. "Für mich als Autor bedeutet das, dass polygame Konstellationen mehr Konflikthaftigkeit in sich tragen als eine Liebesgeschichte, die völlig glattgeht."
Und an Konflikthaftigkeit mangelt es nicht in Habringers Ehebruchsgeschichte. Ein anonymer Erpresser tritt auf den Plan, der Katharinas Affäre während des Wahlkampfs publik zu machen droht. Das wiederum treibt den kreuzbiederen Germanisten Arnold Walter zu verhängnisvollen Aktivitäten...
"Die Geschichte ist vordergründig die Geschichte einer Affäre, die sich dann zu einer Dreiecksgeschichte ausweitet", so Habringer. "Gereizt hat mich daran, die Geschichte aus drei Perspektiven zu erzählen." Und das tut Rudolf Habringer erstaunlich wirkungsvoll.
Drei Perspektiven
Part eins ist aus der Perspektive des Germanisten erzählt, Part zwei aus der Perspektive eines Linzer Privatdetektivs namens Seisenbacher, Part drei aus der Sicht der sich außerehelich vergnügenden Politikergattin. Rudolf Habringer legt Wert darauf, mit seinen Büchern auch unterhalten zu wollen:
"Na, ich denke schon, dass es durchaus auch unterhaltende Situationen gibt. Ich hab erstmals versucht, im Gegensatz zu früheren Büchern, in denen ich die Trennung 'Seriöser Roman' und 'Satire' immer streng durchgehalten habe, in diesem Buch diese beiden Elemente zu vereinen. Vor allem im zweiten Teil des Romans - da geht es um den Privatdetektiv Seisenbacher - sind einige, wie ich finde, unterhaltende Elemente dabei."
Alltägliche Geschichte packend aufbereitet
Rudolf Habringer, Jahrgang 1960, gehört einer Generation an, der gesellschaftspolitisches Engagement wichtig ist und immer wichtig war. Das findet auch Eingang in seine literarische Arbeit.
"Als realistischen Autor würde ich mich schon bezeichnen", sagt Habringer. "Ich beschäftige mich mit den Abgründen von Menschen und ihren Geschichten, und es war Martin Walser, der in einem Aufsatz in den 1960er Jahren behauptet hat, ein realistischer Autor sei derjenige, der sich mit den Mängeln und den Defiziten von Menschen beschäftigt. Insofern bin ich wohl ein realistischer Autor."
Rudolf Habringer hat ein großes Talent: Er vermag alltägliche - oder relativ alltägliche - Geschichten auf packende und mitreißende Weise zu erzählen, ein Talent, das der Oberösterreicher auch in seinem neuen Roman souverän ausspielt. "Engel zweiter Ordnung" ist ein echter Pageturner geworden.