Franziska und Lois Weinberger

ORF/MICHAEL SPRACHMANN

Zu Besuch im Künstleratelier

Lois und Franziska Weinberger

Lois und Franziska Weinberger sind jenes Künstlerduo, das Österreich 2009 bei der Biennale in Venedig mit einem riesigen begehbaren Misthaufen vertreten hat, denn es ist das Verhältnis "Kunst-Natur", an dem Lois Weinberger seit Jahrzehnten arbeitet und damit die diesbezügliche Kunstdebatte von den 1990er Jahren bis heute wesentlich mitbestimmt. Ihr Atelier ist in Gars am Kamp.

Lois Weinberger arbeitet an einem poetisch-politischen Netzwerk, welches mit Hilfe von Pflanzen, die gemeinhin als "Unkraut" gelten, den Blick auf Randzonen lenkt und Hierarchien unterschiedlicher Art in Frage stellt. Seit 2003 arbeitet er für spezielle Projekte im öffentlichen Raum mit seiner Frau Franziska Weinberger zusammen. Sie haben sich in die ehemalige Spiegelfabrik Lachmair eingemietet und die umliegende Industriebrache in einen sehr ungewöhnlichen Garten verwandelt.

"Natur ist immer intakt"

"Wenn sie blüht ist sie schön, wenn sie dürr ist, ist sie schiach, aber die Natur ist immer intakt", hält Lois Weinberger gleich eingangs fest, als er Sabine Oppolzer durch diesen Garten führt, der auf eine unorthodoxe Art sehr poetisch ist.

Hier, direkt am Ufer des eiskalten Kamp, blühen Eselsdisteln neben Golddisteln und Bachkönigskerzen: stachelige und dürre Pflanzen, die es nicht darauf anlegen, dem Betrachter lieblich entgegenzutreten. Dazwischen wachsen sogar Hainburger Federnelken, die eigentlich schon auf der Roten Liste stehen.

Hier seien viele Bienen, Schnecken und Insekten, sowie Schlangen, stellen die beiden fest, weiters Biber, Enten und Schwäne. "Es kann uns jeder besuchen und auch was haben davon", sagt Franziska Weinberger. Die Freude wird nicht kleiner, als Lois Weinberger entdeckt, dass sich in einer Holzkiste rabiate Wespen eingenistet haben und ihn eine Wespe sticht.

Erforschung von Unkraut

2006 sind Lois und Franzsika Weinberger hierhergekommen, für ein Projekt "Kunst im öffentlichen Raum" für Niederösterreich. Aus dem temporären Projekt ist ein ständiges geworden: Sie sind geblieben, um hier ihre Recherchen zu Ruderalpflanzen, also Unkraut durchzuführen. Dass Unkraut alle Bereiche unseres zivilisierten Lebens tangieren, hat Lois Weinberger in vielen städtischen Groß-Projekten untersucht, bis hin zu Kartographien oder den in den letzten Jahren entstandenen "Home Voodoos". Das sind die Ausgangs- und Orientierungspunkte für Zeichnungen, Fotos, Objekte und Filme.

Für Lois und Franziska Weinberger ist der Garten ein Ort des freiwilligen Verzichts, des Nichteingreifens: "Alles, was da liegt, ist Überschwemmungssand". Folglich keimten auch Pflanzen, die "mit diesem Sand dahergekommen sind, also die Samen von verschiedenen Gärten".

Das Künstlerduo begreift sich als Feldarbeiter, aber als politische Feldarbeiter, für die alles heimisch ist, was da so anfliegt. "Das 'heimisch' gibt es ja ohnehin nicht", meint Lois. "Mit dem Begriff 'heimisch' wird so viel Schindluder getrieben."

"Richtige" Wildnis

Auch wenn das Leitmotiv "Nicht eingreifen" heißt, werden da und dort immer wieder Pflanzen entfernt, die die Tendenz haben, alles zu überwuchern: um der Vielfalt - zum Beispiel einer angeschwemmten Urzwetschke - eine Chance zu geben. Daher gibt es neben der Wildnis auch noch die richtige Wildnis hier.

"Da unten lassen wir das Gebiet so, wie es ist, und schneiden einfach Schneisen rein, damit man sieht, ob irgendetwas Interessantes kommt", zeigt Lois Weinberger auf eine Stelle. "Sonst lassen wir's so, wie es ist."

Gefährlicher Chemieabfall

Beim Graben stoßen Lois und Franziska Weinberger immer wieder auf Rückstände, die wohl aus der ehemaligen Spiegelfabrik stammen - ein schöner Industriebau aus der Jahrhundertwendezeit übrigens.

"Da wird allerhand Gift drinnen sein", befürchtet Franziska Weinberger. Vor allem ein blaues Pulver trete immer wieder zutage. Aber weil für sie die Natur eben immer intakt ist, nicht nur, wenn sie unseren Vorstellungen von Schönheit entspricht, nehmen sie es auch gelassen, dass bei einer großen Überschwemmung ein betonierter Giftbehälter überflutet wurde, und anschließend leer war.

Die Schreie der Pflanzen

Vom esoterischen Zugang ist das Künstlerduo weit entfernt. So meint Lois Weinberger: Wenn er Töne oder Schreie von Pflanzen hören wollte, könnte er das vielleicht, aber es wäre ein kulturelles Konstrukt. Er hört jedenfalls absolut nichts, auch wenn Pflanzen schreien und ihre Töne schon seit den 1950er oder 1960er Jahren nachweisbar sind.

Er wisse, dass Pflanzen schreien, so Lois Weinberger, aber wie hoch der Chemie-Anteil sei oder die "seelische Emotion", könne er nicht beantworten. "Ich denke mir, dass man aber sehr vorsichtig sein soll."

Die Umbauten der Biber

Dafür ist Lois Weinberger, der sich selbst als Hobby-Schlangenfotograf bezeichnet, überzeugt, dass er die erwachsenen Schlangen in seinem Garten erkennt. Ebenso wie die Schnecken, denen er Nummern auf die Gehäuse pinselt und sich dann freut, wenn sie ihm Jahre später wieder über den Weg laufen.

Selbst den Bibern tritt er entspannt entgegen, obwohl er immer wieder seltene Pflanzen durch Auftürmen von Holzhaufen vor dem Biss der Biber schützt, weil Biber ihm einmal seine Urbirnbäume wie mit der Rasierklinge abgeschnitten haben. Die Biber tragen aber auch viel dazu bei, dass wieder Neues entstehe, meint Lois Weinberger, neue Flächen, neue Tümpel. "Ich glaube, die sind hier sehr wichtig und nützlich. Am Abend sitze ich hier auf der Mauer und schaue ihnen zu."

So sitzen Lois und Franziska Weinberg zufrieden in ihrem kargen Garten, in dem alles surrt und schwirrt. Ein Garten übrigens, der äußerst lebensfähig ist: Während ihrer langen Abwesenheiten überlassen sie ihn ganz sich selbst. Für das Künstlerduo hat sich der Kampf um die Vielfalt, der Kampf um Pflanzen mit oft schlechter Reputation, einfach ausgezahlt.

Textfassung: Ruth Halle