Tripolis: Eine Krankenschwester im Interview

"Natürlich habe ich Angst"

Nach den blutigen Kämpfen werden Hilfsorganisationen in Tripolis dringend gebraucht. Die Helfer stehen allerdings vor einer Mammutaufgabe: Sie müssen ihre Arbeit unter widrigsten Bedingungen verrichten, es mangelt an vielem. Die Krankenschwester Anja Wolz ist für "Ärzte ohne Grenzen" in Tripolis unterwegs und schildert ihre Eindrücke.

Mittagsjournal, 27.8.2011

Elisabeth Manas

Spitäler: unhygienische Zustände

In Tripolis herrscht Chaos. In einigen Stadteilen wird noch immer erbittert gekämpft. Darüber hinaus machen sich jetzt Versorgungsengpässe bemerkbar. Strom fließt nur sporadisch, Wasser und Lebensmittel werden immer knapper. In den Spitälern mühen sich die wenigen Ärzte, die vielen Verwundeten notdürftig zu versorgen – und das unter unzumutbaren hygienischen Bedingungen.

Kein Strom, keine Operationen

Laut der deutschen Krankenschwester Anja Wolz von "Ärzte ohne Grenzen", die sich seit Donnerstag in Tripolis aufhält, müssen viele Operationen verschoben werden, weil es schlicht keinen Strom in den Krankenhäusern gibt. "Wir haben auch kein Benzin, um die Generatoren zu betreiben", so Wolz. Auch die Lebensmittelknappheit kann sie nur bestätigen: "Die meisten Geschäfte haben hier geschlossen."

"Kaum Ärzte vorhanden"

Das größte Problem sei aber der Mangel an medizinischem Personal, meint Wolz. "In den Spitälern arbeiten zwar viele Ehrenamtliche, aber die haben keine medizinische Ausbildung." Zudem fehle es an Medikamenten und medizinischen Gerätschaften um die Verletzten ausreichen zu versorgen. Die meisten würden mit Schusswunden, Knochenbrüchen und Verbrennungen eingeliefert, sagt Wolz.

Auch Gaddafi-Anhänger werden verarztet

In den vergangenen Tagen haben sich auch libysche Ärzte mit politischen Statements im Fernsehen zu Wort gemeldet. In der praktischen Arbeit sei ihr bis jetzt aber keine Ungleichbehandlung der Patienten aufgefallen, so die Krankenschwester: "Bei einem Verwundeten wird nicht geschaut, ob es ein Rebell ist oder ein Gaddafi-Anhänger. Der Patient wird nach Schwere des medizinischen Falls behandelt."

"Tripolis ist ein Kriegsgebiet"

Sie selbst könne sich in Tripolis nicht frei bewegen, erzählt die Mitarbeiterin von Ärzte ohne Grenzen, immerhin sei die Stadt nach wie vor ein Kriegsgebiet. Wolz: "Natürlich habe ich Angst. Wenn mir jemand erzählen würde, er hätte keine Angst, dann würde mir das komisch vorkommen."