Späte postume Würdigung

Curt Stenvert im Belvedere

"Curt Stenvert - Neodadapop" heißt die Ausstellung, die am Dienstag, 4. Oktober 2011 in der Orangerie im Unteren Belvedere eröffnet wird. Erstmals wird damit dem Avantgardisten, der 1920 als Kurt Steinwender in Wien geboren wurde, eine große Retrospektive gewidmet - eine späte postume Würdigung.

Mittagsjournal, 04.10.2011

Vergessenes Filmschaffen

Obwohl Steinwender, der sich in Paris den Künstlernamen Curt Stenvert zulegte, Österreich 1966 bei der Biennale in Venedig vertrat und 1962 bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, ist er hierzulande fast gänzlich in Vergessenheit geraten.

Parallel zu der Ausstellung im Belvedere widmet das Filmarchiv Austria Curt Stenvert eine Retrospektive, in der alle seine Filme gezeigt werden.

Kein Phantastischer Realist

Obwohl Stenvert die Phantastischen Realisten um Ernst Fuchs schon 1938 im Vorbereitungskurs für die Akademie der Bildenden Künste kennen lernte und Gründungsmitglied des Art Clubs war: Ein phantastischer Realist war er nicht. Er arbeitete sich sehr konzeptionell an dem Thema Bewegung ab - in seinen Skulpturen, in denen er sozusagen Bewegungen in Plexiglas gefrieren ließ, aber auch in seinem Filmschaffen, wie etwa dem Streifen "Der Rabe", der als einer der ersten österreichischen Experimentalfilme gilt und 1951 bei den Filmfestspielen in Venedig ausgezeichnet wurde.

Auch wenn Curt Stenvert mit dem Episodenspielfilm "Wienerinnen im Schatten der Großstadt" einige Bekanntheit erreichte und er einige Dokumentarfilme im Auftrag österreichischer Ministerien drehte, die dann als Vorspann für Spielfilme in den Kinos liefen: Curt Stenvert, damals noch Kurt Steinwender, fühlte sich in Österreich unverstanden und übersiedelte 1979 nach Köln, wie Harald Krejci, Kurator der Schau erklärt: "Er ist frustriert gegangen. Er hat gesagt: Was ich mache, hat hier keine Schule, das interessiert hier niemanden. Er ist nach Köln gegangen, letztlich zu seinem großen Sammler, Wolfgang Hahn, der schon in den 1960er Jahren Stenvert gesammelt hat. Leider ist Hahn, als Stenvert in Köln ankam, relativ überraschend verstorben. Und Stenvert musste in Köln wieder bei null anfangen. So ist der Motor nie richtig zum Laufen gekommen."

Neue Materialien

Auch wenn dieser Umzug nicht von Glück gekrönt war: Stenvert blieb in Köln und zeigte immer wieder Ausstellungen in denen er erfindungsreich mit neuen Materialien umging. Da gibt es etwa einen Staubsaugerschlauch, der einem Puppenkopf um den Hals geschlungen ist, um auf das Gefesselt-Sein der Frau im Haushalt aufmerksam zu machen.

Andere Materialen entsprachen einfach dem Zeitgeist: "Man hat Schaufensterpuppen ganz gerne verwendet. In Wien war es zum Beispiel der Surrealist Maiter Leherb, der sich mit Puppen inszeniert hat, auch auf öffentlichen Plätzen. In Paris haben die neuen Realisten die Schaufensterpuppe aufgegriffen, um Objektassemblagen machen - die wurden verschnürt oder behängt, also verschiedenartig verwendet", so Krejci.

Stets erhobener Zeigefinger

Das bunte und dicht gedrängte Sammelsurium aus bemalten oder dekorierten Schaufensterpuppen, Installationen mit Tierköpfen und Plastikherzen hat über die Jahrzehnte deutlich Patina angelegt. So wirkt die ganze Schau leicht verstaubt, auch wenn so manche künstlerische Äußerung Stenverts in den 1960er oder 1970er Jahren vierdienstvoll gewesen sein mag.

Heute wirkt manches zu explizit und man spürt bei vielen Arbeiten Stenverts stets erhobenen Zeigefinger. Auch das eine authentische Attitüde der 1960er Jahre: Man wollte ja die Welt verbessern und das Publikum aufrütteln.

Textfassung: Rainer Elstner