Rückschlag für Bildung und Integration
Kein Geld für Sprachförderung
Jedes vierte fünfjährige Kind spricht so schlecht Deutsch, dass es in der Schule gröbere Probleme haben wird, wenn es nicht gefördert wird. Dennoch hat der Bund das Geld für die sprachliche Frühförderung heuer gestrichen. Und auch für die Zukunft ist zumindest derzeit kein Geld in Sicht - zum Ärger von Ländern und Bildungsforschern.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 08.10.2011
Unverständliche Sparmaßnahmen
Insgesamt 15 Millionen Euro hat die Regierung in den vergangenen drei Jahren investiert, um die Kinder im letzten Kindergartenjahr sprachlich auf Vordermann zu bringen. Die Länder, die für die Kindergärten eigentlich zuständig sind, mussten den Betrag verdoppeln. Dann kam der Sparzwang, die Bundesförderung ist mit Ende 2010 sang- und klanglos ausgelaufen. Für Simone Breit vom Bildungsforschungsinstitut BIFIE ist das nicht verständlich: "In den letzten Jahren wurde hier sehr wertvolle Arbeit geleistet. Sollte es diese Gelder nicht weiterhin geben, werden diese Maßnahmen entweder gar nicht mehr finanziert oder einschlafen, was sich später in den Kompetenzen der Kinder sicher ausdrücken würde."
Schlüssel zu Bildung und Integration
Und mit der sprachlichen Kompetenz der Kinder steht es nicht zum Besten, wie die sogenannten Sprachstandserhebungen zeigen: 15 Monate vor Schuleintritt werden die Kinder im Kindergarten spielerisch getestet. Das Ergebnis: 60 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund haben sprachliche Defizite, aber auch bei Kindern mit Deutsch als Muttersprache hat jedes zehnte sprachliche Probleme. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2008, sie gelten aber auch heute noch, sagt Bildungsforscherin Simone Breit, die die Sprachtests entwickelt hat. Förderbedarf besteht also, gerade weil Sprache der Schlüssel zu Bildung und Integration ist. Besonders zum Schuleintritt müssten die Kinder einen altersadäquaten Wortschatz und ein altersadäquates Sprachverständnis mitbringen, sagt Expertin Breit.
Überbrückung durch Länder
Die Kindergärten haben die Sprachförderung ganz unterschiedlich organisiert: mehr Pädadoginnen angestellt, um weniger Kinder in einer Gruppe zu betreuen, Gegenstände zur Sprachförderung angeschafft oder spezielle mobile Sprachtrainerinnen eingesetzt. Damit die Sprachförderung trotz Streichung der Bundesmittel weitergeht, haben nun viele Länder die Kosten dafür zur Gänze übernehmen - aber nur als Überbrückung, wie zum Beispiel der Wiener Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch betont: "Wir sind eingesprungen im Vertrauen auf konstruktive Gespräche, die es gegeben hat. " Oxonitsch will nun eine neue Vereinbarung ausarbeiten: "Das kann sehr rasch gehen und entspricht einem einstimmigen Beschluss der Familienreferenten aller Bundesländer."
Niemand zuständig?
Doch diese Verhandlungen werden wohl nicht besonders einfach, schon allein deswegen, weil sich beim Bund niemand wirklich dafür zuständig fühlt. Familienminister und Frauenministerin sagen, das Unterrichtsministerium sei verantwortlich. Dort heißt es, man sei nur für das pädagogische Konzept, nicht aber für das Geld zuständig. Aus dem Finanzministerium gibt es keine Stellungnahme. Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) will nun zwischen den Ministerien und den Ländern vermitteln, denn er sei mit dem Status Quo nicht zufrieden, lässt er ausrichten.