"Unkonkret", "aberwitzig"

OECD zweifelt an Sozialpartnerplan

Die Sozialpartner wollen vor allem die Frühpension aus Krankheitsgründen zurückdrängen. Der OECD-Pensionsexperte Christopher Prinz sieht da zwar gute, aber viel zu unkonkrete Ansätze. Und dass die Sozialpartner das Pensionsantrittsalter mit Belohnungen heben wollen, stößt bei ihm überhaupt auf gänzliches Unverständnis.

Mittagsjournal, 11.10.2011

"Aberwitzige" Ideen

Nicht mit Strafen, sondern mit Anreizen soll also die Vorliebe für Frühpensionen eingedämmt werden, geht es nach den Sozialpartnern. Konkret soll es für Menschen zwischen 60 und 65 Jahren Prämien geben, wenn sie trotz Anspruchs nicht in Frühpension gehen. Mit 2.000 bis 4.000 Euro netto pro Jahr würden Arbeitnehmer belohnt, wenn sie etwa die Hacklerregelung nicht antreten. Der Arbeitgeber würde das gleiche bekommen. Für den Pensionsexperten bei der OECD in Paris, Christopher Prinz, ist das ein Schritt in die völlig falsche Richtung: Die Hacklerregelung nicht abzuschaffen und statt dessen einen Bonus einzuführen, damit man sie nicht in Anspruch nimmt, "das ist schon aberwitzig".

Vorbeugung und Rehabilitation

Dem zweiten Schwerpunkt im Sozialpartner-Papier kann Christopher Prinz schon mehr abgewinnen, dem Kampf gegen die Invaliditätspension, die der Hauptgrund für das niedrige durchschnittliche Pensionsantrittsalter von rund 58 Jahren ist. Gewerkschaft und Kammern setzen da vor allem auf Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation als Vorbeugung. Beispiel: Wer mehr als 40 Tage im Krankenstand ist, soll von den Krankenkassen einem Reha-Programm zugewiesen werden.

Nicht konkret genug

Das seien gute und richtige Ideen, findet Christopher Prinz. Der OECD-Pensionsexperte zweifelt aber, dass sie auch umgesetzt werden, weil sie seiner Ansicht viel zu unkonkret formuliert sind. Die Erfahrung aus vielen anderen Ländern zeige, dass solche Sozialpartnerpläne in der Praxis nicht umgesetzt würden, "weil nicht drinnen steht, wer hat was zu tun und was geschieht, wenn der das nicht tut? Gibt es irgendwelche Sanktionen? All das ist nicht vorhanden. Das heißt, wenn nichts davon geschieht, ist auch niemand besonders betroffen."

Wunschdenken

Die Sozialpartner glauben, dass mit ihren Maßnahmen das tatsächliche Pensionsantrittsalter innerhalb der nächsten 10 Jahre um zwei Jahre gehoben werden kann. Prinz hält das für Wunschdenken, weil das voraussetze, dass alle Maßnahmen auch so kommen, was der Pensionsexperte eben bezweifelt.

Ersparnisprognose "Milchmädchenrechnung"

Und auch dass dadurch 1,5 Milliarden Euro eingespart werden können, wie von den Sozialpartnern gerechnet, kann Christopher Prinz nicht nachvollziehen: "Das ist sicherlich eine Milchmädchenrechnung", die auf Annahmen beruhe, die nicht verifizierbar seien. Fazit des OECD-Pensionsexperten Christopher Prinz: Die Lösung der Pensionsmisere bietet das Sozialpartner-Papier wohl eher nicht.