Interview mit Journalistin

Ägypten: Sorge um demokratische Zukunft

Vielen Ägyptern dauert der Übergang zur Demokratie schon viel zu lange - eine gefährliche Mischung, sagt die ägyptische Journalistin Hedayat Abdel Nabi, Präsidentin der "Press Emblem Campaign". Sie fürchtet, dass der jetzige Stillstand eine Bedrohung für die ägyptische Revolution ist.

Mittagsjournal, 14.10.2011

Leiden nicht zu Ende?

Mehr als acht Monate nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak kommt das Land immer noch nicht zur Ruhe. Kritiker werfen dem regierenden Militärrat Stillstand vor. Ab 28. November soll nun das Parlament gewählt werden. Doch die Wahlprozedur dauert bis März nächsten Jahres. Hedayat Abdel Nabi stand während der Ägyptischen Revolution an vorderster Front. Damals war sie voll Hoffnung, heute ist sie enttäuscht und besorgt: "Ich bin überhaupt nicht zufrieden, denn alles steht still, wenn es so weitergeht ist es eine große Bedrohung für die Revolution." Sie ist sich nicht sicher, ob das Leiden des ägyptischen Volkes zu Ende ist.

Große Armut

Hedayat Stört vieles, auch kleine Dinge. So war in den letzten acht Monaten die Übergangsregierung nicht imstande, eine der wichtigsten Forderungen der Revolution umzusetzen, nämlich ein Mindestgehalt für alle. Und wenn dann darüber diskutiert wird, spricht man von 700 ägyptischen Pfund. "Das wären 70 Euro pro Monat. Dafür sind wir nicht auf die Straße gegangen." Der Bevölkerung geht es schlecht, sehr schlecht. Mehr als 50 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Das wären weniger als zwei Dollar pro Tag, sagt Hedayat Abdel Nabi.

Keine islamistische Gefahr

Angst vor den Fundamentalisten hat Sie nicht. Es gebe in Ägypten die Salafiten und die Moslembruderschaft. Letztere ist keine extremistische Bewegung. Und die Salafiten seien nur eine kleine Gruppe. In Ägypten wird es bald Parlamentswahlen geben. Sie glaubt, dass die Moslem Bruderschaft bis zu 40 Prozent der Stimmen erreichen könnte. Das bedeutet aber nicht, dass Ägypten ein islamistisches Land wird. Denn selbst dann seien 60 Prozent der Menschen nicht auf Seite der Moslem Bruderschaft.

Angst vor neuen Unruhen

Dennoch warnt die Journalistin davor, dass die Bruderschaft, durch politische Allianzen gestärkt, die neue Verfassung so gestalten könnte, dass der Präsident keine Macht mehr hat. Ein schwacher Präsident würde dann den Islamisten in Zukunft Tür und Tor öffnen. Doch die Ägypter wollten keinen Gottesstaat, sagt Hedayat Abdel Nabi: "Ich habe also nur dann Angst um die Zukunft, wenn es nicht mehr weitergeht, und die Menschen, die Millionen, wieder auf der Straße gehen um zu demonstrieren. Dann wird es aber keine friedliche, sondern eine ziemlich blutige Revolution werden."

Hedayat Abdel Nabi möchte, dass jetzt so schnell wie möglich ein starker Präsident an die Macht kommt. Es soll alles transparent ablaufen, damit die Revolution nicht umsonst war.