Alfred Gusenbauer im "Journal zu Gast"
"Österreich wäre ohne Europa ärmer"
Die Schuldenkrise und die Angst vor einem neuerlichen Bankencrash halten die EU in Atem. Regierungen und Finanzfachleute hetzen von Krisentreffen zu Krisentreffen, doch die Entscheidungen fallen langsam. Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer warnt im "Journal zu Gast" vor staatlichem Egoismus in der Schuldenkrise.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 15. 10. 2011
Alfred Gusenbauer im Gespräch mit Hartmut Fiedler
Alle wären Verlierer
Auch wenn es um den Euro derzeit noch so schlecht steht, "wir müssen um diese gute Währung kämpfen", sagte Alfred Gusenbauer am Samstag im "Journal zu Gast". Denn, wenn der Euro nichts mehr wert wäre, dann würden alle Staaten verlieren. "Es soll sich keiner Illusionen machen, zu glauben, dass es Gewinner und Verlierer geben könnte, wenn es zu irgendeiner Art von Auflösung kommt. Das kann man sich abschminken. Wenn der Euro nichts mehr ist, verlieren wir alle", so Gusenbauer.
Solidarität innerhalb der EU sei gefragt
"Ich höre manchmal so Bemerkungen: Wie kommen wir dazu, dass wir den Griechen helfen und vielleicht auch noch den Portugiesen und anderen? Da schwingt so die Unterstellung mit, es würde uns alleine viel besser gehen. Das ist eine ganz gefährliche Illusion", so Gusenbauer. Der österreichische Wohlstand basiere nicht nur auf dem Ehrgeiz und Fleiß der Österreicher, sondern auch auf der Stabilität der Währung. "Österreich wäre ohne dieses Europa bedeutend ärmer", so Gusenbauer.
"Zu wenig und zu spät"
Zu wenig und das zu spät sei zur Bewältigung der Griechenlandkrise geschehen, konstatiert Gusenbauer. "Man hat sich in Europa viel zu lange Zeit gelassen. Vor 18 Monaten, als die Griechenlandkrise ausgebrochen ist, hätte man diese Frage bedeutend billiger und effizienter lösen können." Das Problem bestand laut Gusenbauer in der mangelnden Entscheidungsfindung und im mangelnden Gestaltungswillen, der in den europäischen Regierungen vorhanden war. Es müsse jetzt schnell klare und starke Schritte geben. Europa dürfe nicht zum Spielball der Finanzmärkte werden.
Größerer Rettungsschirm
Den Rettungsschirm hält Gusenbauer für ein geeignetes Mittel, um der Schuldenkrise zu entkommen. Er hält aber fest: "Der wird so groß sein müssen, damit notfalls auch Italien und Spanien darunter passen." Dann würden die Zinsen sinken. Es brauche aber auch eine langfristige Konsolidierung und da werde es bei einem Land wie Griechenland ohne Schuldenschnitt nicht gehen. Gusenbauer spricht von einem Schuldenschnitt von 60 Prozent. Gerechnet wurde bisher mit 20 Prozent.
Mehr Entscheidungen abgeben
"Es ist wichtig, dass in Zukunft die Entscheidungen stärker zum europäischen Parlament verlagert werden und dass auch die EU-Kommission noch stärker an das Parlament angebunden wird. Wir werden aber auch stärker zu Mehrheitsentscheidungen in Europa kommen müssen", so Gusenbauer. So werde man schrittweise ein stärkeres Europa bekommen. Gusenbauer glaubt nach wie vor an ein gemeinsames Europa. Es werde aus dieser Krise, nach vielen Problemen, die noch zu bewältig sind, "gestärkt und geeinter herauskommen".