Groteske Praktiken von Versicherungen
Diebstahl statt Einbruch
Wenn mitten in der Nacht Fremde durch ein gekipptes Fenster in eine Wohnung eindringen und Handtasche sowie Bargeld stehlen, dann würde man im Normalfall wohl davon ausgehen, dass es sich dabei um einen Einbruch handelt. Doch für Versicherungen ist ein Sachverhalt wie dieser noch lange kein Einbruch, zeigt ein aktueller Fall aus Wien.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15. 10. 2011
Einbruch in Wiener Wohnung
Es ist Mitte Juli und drückend heiß in der Nacht in der unbekannte Täter in eine Parterre-Wohnung in Wien Döbling eindringen. Die Besitzerin schläft, ob der Temperaturen, bei gekippten Fenstern. Und durch ein solches gelangen der oder die Täter in die Wohnung und nehmen die Handtasche der Frau mit. Weil die bestohlene Wienerin an diesem Tag eine größere Summe Bargeld abgehoben hat und sich einige Wertgegenstände in der Tasche befinden, ist die Beute fast 8.000 Euro wert. Für die Wienerin und auch die Polizei ist der Fall klar: Es handelt sich um einen Einbruch. Anders sieht das allerdings die Versicherung, die Wiener Städtische. Die sagt zunächst: Es handle sich lediglich um einen einfachen Diebstahl, weil das Fenster gekippt war und das bedeutet auch, dass es für den Schaden deutlich weniger Geld als bei einem Einbruchsfall gibt.
Kein Einzelfall
Dieser Fall ist laut dem Verein für Konsumenteninformation (VKI kein Einzelfall. Der Grat zwischen Einbruch und Diebstahl ist bei den Versicherungen offenbar schmal. Jurist Thomas Hirmke vom VKI: "Es ist schon umstritten, ob ein gekipptes Fensters grob fahrlässig ist, wenn man außer Haus ist. Da gibt es durchaus unterschiedliche Gerichtsentscheidungen. Wenn man zuhause ist, denke ich mir, dann kann man das nicht als grob fahrlässig sehen."
Zur Wehr gesetzt
Die bestohlene Wienerin hat sich gegen die Entscheidung der Versicherung zur Wehr gesetzt - mit Erfolg. Denn während der Ö1-Recherchen ändert die Versicherung ihre Meinung. Schadensexperte Thomas Hilmar von der Wiener Städtischen: "Im konkreten Fall sind wir aufgrund des ersten Informationsstandes von einem Diebstahl ausgegangen, haben das aber nochmal geprüft und haben es aufgrund des Bildes, das wir vor Ort vorgefunden haben, nunmehr als Einbruch-Diebstahl klassifizieren können. Wir haben den Schadensfall auch voll übernommen."
"Soll man sich nicht gefallen lassen"
Thomas Hirmke vom VKI rät Betroffenen sich zu wehren, wenn man sie den Eindruck haben, dass die Versicherung den Fall falsch bewertet hat: "Es entsteht schon der Eindruck, dass oft einmal abgelehnt wird und wenn wir dann intervenieren und das begründet argumentieren, dann gibt es eine andere Reaktion. Also es ist sicher der Rat, dass man sich das nicht gefallen lässt, wenn zuerst eine Ablehnung kommt."
Die bestohlene Wienerin jedenfalls bekommt jetzt doch den Einbruch und somit rund die Hälfte der Schadenssumme von der Versicherung ersetzt, und: Sie wird auch kommenden Sommer nicht bei geschlossenen Fenstern schlafen müssen.
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