Wahlen: Frauen haben kaum Chancen

Tunesien: Freie Wahlen nur für Männer

In Tunesien, dem "Mutterland des arabischen Frühlings" finden am Sonntag die ersten freien Wahlen statt. Die Erwartungen an diese Wahlen sind sehr hoch. Die Hälfte der Kandidaten sind Frauen, doch frei sind sie nicht. In Tunis hat ein Mob die Aufstellung der Statue von „Mutter Tunesien“, der Künstlerin Selima Karoui verhindert. Die Polizei hat regungslos zugeschaut.

Morgenjournal, 22.10.2011

"Mutter Tunesien, die freie Kinder gebärt"

Stacheldraht und Polizei auf der Hauptverkehrsader von Tunis, der Avenue Habib Bourgiba. Seit der Revolution hat sich hier nicht viel geändert. Selima Karoui wollte dort in Absprache mit dem Kulturministerium Anfang der Woche eine Statue aufstellen. Eine symbolisierte Mutter, Tunesien, die freie Menschen gebärt. Ein Symbol für die ersten freien Wahlen.

Aufstellung von Mob verhindert

Sie erzählt, dass sobald sie begonnen hatte sie von hunderten Menschen umringt wurde. Karoui erzählt: "Zehn Minuten später wurden wir von einer Gruppe Menschen angegriffen. Sie haben gesagt wir wollen eure Skulptur nicht. Was sind diese Formen? Eine nackte Skulptur! Dabei war gar nichts Gewagtes daran!" und weiter: "Es war nur ein Würfel mit zwei Kugeln um zu zeigen, dass es eine Frau ist, mit dem Bild der gebärenden Mutter. Mutter Tunesien, die freie Kinder gebärt. Es war als Symbol für die Wahlen gedacht.", sagt Selima Karoui. "Sie haben aber weiter getan und gesagt, es sei Haram, Sünde!"

Extremisten nicht mehr zu erkennen

Was Selima Karoui am meisten geschmerzt hat ist, dass die Polizei daneben gestanden ist ohne einzugreifen. Noch schlimmer. Man kann diese Leute keiner Gruppe zu ordnen. Sie sahen aus wie jedermann. Also keine Salafisten, das sind extreme Islamisten, die lange Bärte tragen.

Und ihr Schluss: "Man muss keinen Bart tragen und sich wie ein Salafist kleiden, um Extremist zu sein und man kann Extremist und gewalttätig sein, ohne Salafist zu sein."

Frauen auf Wahllisten, aber kaum im Parlament

Sie sagt, sie werde morgen für eine Frau wählen. Doch obwohl auf den Listen der Frauenanteil 50 Prozent beträgt, werden nur wenige in die verfassungsgebende Versammlung kommen. Denn in vielen Wahlkreisen gibt es über 100 Listen und durch das komplizierte Wahlsystem dürften nur die Spitzenkandidaten gewählt werden. Das heißt das wenn man sich die Listen ansieht, der Frauenanteil in der neuen Versammlung höchsten zehn Prozent betragen wird.

Künstlerin hat Angst

Selima Karoui sagt, dass es in den letzten zwei Monaten in Tunesien viel schlimmer geworden ist Frau und Künstlerin zu sein, als zu Zeit von Diktator Ben Ali. Jetzt hat sie Angst "Wir machen trotzdem, weiter aber wir haben Angst." Optimistisch für die Zeit nach den Wahlen ist sie nicht. Karoui: "Ich kann nicht sagen, dass ich optimistisch bin, das wäre eine Lüge. Nichts lässt mich auf eine Zukunft hoffen, wie ich sie mir wünschen würde."

Hoffnung bleibt

Pessimistisch ist sie aber auch nicht. Denn sie hat, sagt sie, Hoffnung. Hoffnung, dass die Tunesier sich morgen nichts vormachen lassen und die richtige Entscheidung treffen werden.