Filme, Ehrungen und Sendungen zum 80er
Das Weiterleben der Ruth Klüger
"Weiter leben. Eine Jugend" - mit diesem Buch schildert Ruth Klüger ihr Überleben nach Auschwitz. Am kommenden Sonntag, dem 30. Oktober, wird Ruth Klüger 80. Heute bekommt sie den Donauland Sachbuch Preis. Und am Abend hat bei der Viennale ein filmisches Porträt der Autorin Premiere: "Das Weiterleben der Ruth Klüger" von Renata Schmidtkunz. Ö1 ehrt Ruth Klüger mit einer Reihe von Sendungen.
27. April 2017, 15:40
Kulturjournal, 25.10.2011
Ruth Klüger im Interview
Kultur aktuell, 25.10.2011
Ruth Klüger ist eine charmante und sehr jung wirkende Fast-Achtzigerin. Die Frau mit der leicht rebellischen grauen Kurzhaarfrisur sollte im Alter von zwölf Jahren in Auschwitz sterben. Bei der Selektion an der Rampe rettete ihr die jüdische Schreiberin, selbst ein Häftling, das Leben. Ruth Klüger hat das in "Weiter leben. Eine Jugend" geschildert.
Später bedrohte ein angeborener Herzfehler ihr Leben und dann ein schwerer Unfall. Sie freut sich immer noch des Daseins, und gerade jetzt: "Ein Alter, in dem man noch Beweglichkeit hat, ist etwas, was man eigentlich gerne erleben sollte. Ich hab Freunde und Freundinnen, komm nach Wien und bin willkommen, bekomme sogar Ehrungen, kann noch schreiben, habe meine eigene Zeit - und muss eigentlich nichts mehr. Das ist ein Gefühl von Freiheit."
Ruth Klüger bei der Viennale
Im Film "Das Weiterleben der Ruth Klüger" sieht man, dass sie sich mit schwimmen fit hält - in Irvine, Kalifornien, wo sie lebt. Es ist schon das zweite Ruth-Klüger-Porträt und der erste Kinofilm von Renata Schmidtkunz, der Ö1- und Club-2-Moderatorin und Gestalterin vieler Fernsehdokus. "Das Weiterleben der Ruth Klüger" handelt davon, was nach der Befreiung und der Auswanderung in die USA geschah.
Schmidtkunz rückt der Person Ruth Klüger sehr nahe - man erlebt die Autorin auch einmal in der Küche im Morgenmantel, und hört von ihren Söhnen Bewunderung mit einem Schuss Kritik. Trotzdem hat das ebenso unprätentiös wie perfekt gemachte Filmporträt nichts Voyeuristisches an sich. Wieder einmal wendet sich Ruth Klüger gegen die gängige Holocaust-Erinnerungskultur mit ihren Klischees und Floskeln: "Ich mag das gar nicht, wenn die Shoa unsagbar bezeichnet wird - das ist total sagbar. An dieses 'Nie Wieder' glaub ich nicht, weil das immer wieder geschehen ist, natürlich in Variationen. Aber jeder Hass gegen Gruppen hat so ein Stück von der Shoa in sich."
Engagiert bis heute
Dieser Hass gegen Gruppen finde derzeit nicht nur unter klassisch rassistischen, sondern immer mehr unter ökonomischen Vorzeichen statt. "Die anderen" sind die, die uns etwas wegnehmen könnten. Hinter solchen Ressentiments stehe die Verarmung breiter Schichten im Neoliberalismus. Darum unterstützt Ruth Klüger auch die weltweite Protestbewegung "Occupy Wall Street".
"In meiner Heimatstadt, dort wo ich wohne jetzt, in Irvine, sind auch Demonstrationen - und ich glaube, das könnte noch Erfolg haben, dass es in den kapitalistischen Ländern eben auch einen Aufstand gibt gegen die Schere zwischen reich und arm, die wirklich gefährlich zu werden droht."
Mit der Geschichte zu Rande kommen
Die Traumata ihrer Kindheit bleiben gegenwärtig - wie die Ermordung ihres Vaters durch die Nazis. Dennoch ist es Ruth Klüger gelungen, wie sie sagt, die traumatischen Erinnerungen in ein Gleichgewicht mit ihrem sonstigen Leben zu bringen: "In dem Sinne spiegelt mein privates Inneres die ganze Zeitgeschichte, denn das ist ja auch bei den Völkern Europas der Fall. Sie müssen irgendwie zu Rande kommen mit dieser Geschichte, die sie hinter sich haben - und gleichzeitig geht's ihnen gut".
Ein ausführliches Interview mit Ruth Klüger hören Sie heute im Kulturjournal um 17:09 Uhr.