Petros Markaris eröffnete Buch Wien

Literatur in Krisenzeiten

Griechenland und die Krise - das war das Thema bei der Eröffnung der Buch Wien am Mittwoch, 9. November 2011. Zur vierten Auflage der internationalen Buchmesse im Messezentrum im Wiener Prater hatte man als Festredner den griechischen Autor Petros Markaris eingeladen.

Der 74-jährige Krimiautor aus Athen und sein Kommissar Kostas Charitos haben auch hierzulande eine große Fangemeinde.

Kultur aktuell, 10.11.2011

Rede über die Krise

Von den optimistischen Tönen, der Zuversicht und der positiven Erwartung, die wir von diversen Eröffnungsfeiern kennen, war zum Auftakt der Buch Wien nichts zu hören. "Literatur in Krisenzeiten" - so war die Rede von Petros Markaris überschrieben, eine Rede in Zeiten "tragischer Ernüchterung" wie er sagte. Längst sei die Finanzkrise auch eine soziale Krise und eine Krise des politischen Systems, meinte Markaris, und er verwies auf eine Jugendarbeitslosigkeit von 43 Prozent und eine Selbstmordquote, die um 25 Prozent gestiegen sei.

"Es besteht für mich nicht der geringste Zweifel, dass die große Mehrheit der Bürger für die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU und für den Euro sind. Das Land befindet sich aber in einer solchen desaströsen Lage, dass diese Einsicht allein nicht mehr ausreicht. Wir brauchen dringend eine öffentliche Diskussion in Griechenland, um festzustellen, was wir alles falsch gemacht haben", so Markaris.

Große Selbstbezichtigung

Die Literaturschaffenden und die Künstler könnten zu dieser Diskussion entscheidend beitragen, meinte Petros Markaris. Und er holte aus zu einer großen Selbstbezichtigung: "Der schwerwiegendste Fehler war, dass wir die EU nur als einen Geldtopf begriffen haben. Die gemeinsame Verantwortung und Solidarität haben wir vernachlässigt, ja sogar ignoriert. Wir haben dagegen versucht, alle unsere nationalen Probleme auf die EU zu übertragen. Zuerst die mit der Türkei, dann mit Zypern, dann mit Mazedonien. Wir haben die Solidarität einseitig in Anspruch genommen und wollten nicht einsehen, dass auch andere Länder in der EU ihre eigenen Sorgen und Probleme hatten und sich nicht nur mit unseren Problemen befassen könnten."

Als witzigen und ironischen Autor kennen wir Petros Markaris mit seinem Kommissar Kostas Charitos, der seit 1995 schon sieben Fälle aufgeklärt hat. Zuletzt war er einem Serienmörder auf der Spur, der ausgerechnet eine ganze Reihe von Bankern enthauptet hat. "Faule Kredite" heißt denn auch dieser Krimi, der vor kurzem auf Deutsch erschienen ist, als Auftakt zu einer "Trilogie der Krise".

Krise als Alltagsphänomen

Als Alltagsphänomen, wie er sagt, versucht Markaris, die Krise zu betrachten: "Seit der Gründung des Neugriechischen Staates hat Griechenland sehr viele Krisen erlebt. Aber in all diesen Krisen hatte das Land eine Perspektive, einen Schimmer Hoffnung. Immer sagten die Griechen: In einigen Jahren wird es uns besser gehen. Die Krise, die wir jetzt erleben, ist jedoch ohne Perspektive, ohne sichtbare Hoffnung. Die Mutlosigkeit und die Wut im Land nähren sich auch aus dieser hoffnungslosen Realität."

Eine Hoffnungslosigkeit sieht Markaris gepaart mit einer unerträglichen Ungewissheit, was ihn morgen bei seiner Rückkehr nach Athen erwartet: "Ich habe keine Ahnung, was passiert. Das entscheiden die Politiker. Und meine Erfahrung mit den Politikern ist nicht die beste."

Textfassung: Rainer Elstner

Service

Am Donnerstag, 10. November 2011 um 16:00 Uhr liest Petros Markaris auf der ORF-Bühne der Messe aus seinem Buch "Faule Kredite" und am Abend um 18:30 Uhr spricht er mit Michael Kerbler im Wiener Metro-Kino.

Buch Wien