Nazi-Morde: Mehr Fragen als Antworten
Verfassungsschutz im Zwielicht
Bei der Fahndung nach der deutschen Neonazi-Terrorgruppe haben Innenministerium und Verfassungsschutz in Niedersachsen schwere Fehler in der Vergangenheit eingeräumt. Noch ungeklärt ist die Rolle eines Mitarbeiters des Verfassungsschutzes, der selbst eine rechtsradikale Gesinnung haben soll.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.11.2011
Johannes Marlovits aus Berlin
Das Rätsel um den sechsten Mann
Am 6. April 2006, gegen 17 Uhr, wird in einem Internetcafé in Kassel ein Mann erschossen. Bei dem Opfer handelt es sich um den türkischstämmigen Besitzer des Cafés. Es ist der letzte Mord einer ganzen Serie, bei der in den Jahren 2000 bis 2006 insgesamt neun Menschen ermordet werden - acht Türken und ein Grieche.
Bei diesem letzten Mord sind sechs weitere Menschen im Café anwesend. Fünf melden sich nach der Tat bei der Polizei, einer nicht. Der sechste Mann war damals ein Beamter des hessischen Verfassungsschutzes und als solcher im Außendienst tätig - als Verbindungsstelle zwischen Verfassungsschutz und Verbindungsleuten in der rechtsradikalen Szene.
Spitzname: "Kleiner Adolf"
Dabei soll der Beamte selbst dem rechtsradikalen Gedankengut nahe gestanden sein, sagt Thomas Oppermann. Er ist Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums, das die Arbeit der Geheimdienste überprüft. Es dürfte sich dabei um ein offenes Geheimnis gehandelt haben. In dem Ort, in dem der Mann gelebt hat, soll er den Spitznamen "Kleiner Adolf" getragen haben.
Beamte weiterhin im Dienst
Nach dem Mord im Jahr 2006 wurde die Wohnung des Mannes durchsucht und rechtsradikale Schriftstück gefunden. Die Ermittler haben diese Funde allerdings als nicht als tatrelevant angesehen und angeblich auch nicht erkennen können, dass der Mann einer rechtsextremen Vereinigung angehört hat.
Deshalb wurden die Ermittlungen gegen ihn eingestellt. Der Beamte wurde zwar suspendiert, derzeit arbeite er jedoch weiterhin im Öffentlichen Dienst, und zwar bei der Bezirksregierung in Hessen, so Thomas Oppermann.
Beschuldigte will aussagen
Die Ermittler stehen nun vor einer Reihe offener Fragen: Wurde der Mann gedeckt? Wollte der Verfassungsschutz sein System von Verbindungsleuten nicht gefährden? Mit welchen Leuten aus den rechtsextremen Kreisen hat der Verfassungsschutz tatsächlich zusammengearbeitet? Und wenn es eine Zusammenarbeit gab, warum konnte das verdächtige rechtsextreme Trio dennoch jahrelang morden?
Vielleicht gibt es darauf schon bald Antworten. Die Hauptverdächtige, die in Untersuchungshaft sitzt, hat ein Geständnis angekündigt.