Kampusch-Staatsanwaltschaft zu Oppositionsvorwürfen
"Sind allen Hinweisen nachgegangen"
Das Justizministerium wird kommende Woche eine weitere Entscheidung rund um den Fall Natascha Kampusch bekanntgeben. Es geht dabei um den Vorwurf des Amtsmissbrauchs gegen fünf Staatsanwälte. FPÖ, BZÖ, Grüne und ÖVP fordern die Fortsetzung der Ermittlungen. Indes wehrt sich Natascha-Staatsanwalt Mühlbacher gegen Vorwürfe, schlampig ermittelt zu haben.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 16.11.2011
Bernt Koschuh
Akten an Parlamentarier gespielt
Die Flut parlamentarischer Anfragen von FPÖ und BZÖ zur Causa Natascha Kampusch (Ö1 hat berichtet) basiert einerseits auf Vorwürfen, die der frühere Präsident des Obersten Gerichtshofs, Johann Rzeszut, gegen mehrere Staatsanwälte erhoben hat. Andererseits geht es auch um Ermittlungen von Franz Kröll, dem verstorbenen Leiters der Polizei-Sonderkommission im Kampusch-Entführungsfall.
Kröll hat im Juni 2010 Selbstmord begangen. Wie es scheint, lässt nun Krölls Bruder der FPÖ und dem BZÖ Informationen über Akten des Verstorbenen zukommen, der gegen die Einstellung der Ermittlungen gewesen sei.
"Priklopil ist kein Mordopfer"
In den parlamentarischen Anfragen werden etwa Ermittlungsfehler nach dem Tod von Entführer Wolfgang Priklopil kritisiert. Sein Selbstmord sei womöglich ein Mord durch einen Mittäter gewesen, heißt es zum Beispiel.
Kampusch-Staatsanwalt Thomas Mühlbacher entgegnet: "Es gibt einen Lokfahrer, der ausdrücklich sagt, dass Herr Priklopil ganz langsam auf die Gleise zugegangen ist, ohne dass andere Personen in der Nähe gewesen sind. Und dass er den Zug einfach nicht mehr anhalten konnte." Der Vorwurf des Mordes sei daher "unhaltbar", so Mühlbacher.
Opposition: Zweifel an Entführungsfahrzeug
Aus einer weiteren Anfrage geht hervor, dass nicht der weiße Bus Priklopils, sondern ein Mietauto das Entführungsfahrzeug gewesen sein könnte. Auf Priklopils Grundstück in Strasshof soll eine Fahrtenbuchtasche für ein Salzburger Kennzeichen gefunden worden sein.
Thematisiert wird auch die Aussage eines Polizisten, der vor 13 Jahren von angeblichen Kindermorden im Umfeld der Familie Natascha Kampusch‘ gesprochen haben soll. Und in einer weiteren parlamentarischen Anfrage wird gefragt, ob Tagebücher von Natascha Kampusch und ein Video aus der Zeit der Gefangenschaft ausgewertet wurden.
"Sind allen Hinweisen nachgegangen"
Staatsanwalt Mühlbacher dazu: "Das Tagebuch der Frau Kampusch und auch andere Gegenstände, die ihr gehören, wurden selbstverständlich überprüft." Da es sich dabei aber um persönliches Eigentum handle, sei es Natascha Kampusch danach wieder zurückgegeben worden.
Es sei bei den Ermittlungen allen stichhaltigen Hinweisen nachgegangen worden, beteuert Mühlbacher. Etwas zu 100 Prozent ausschließen könne man in einem Strafverfahren aber nie, so Mühlbacher. Nur: Für einen Staatsanwalt gäbe es in so einem Fall zwei Möglichkeiten. Entweder habe er "Hard-Facts" vorzulegen oder er müsse sich eben dazu bekennen, das Vorhandensein eines zweiten Täters nicht beweisen zu können, so Mühlbacher.
"Kampusch hat genug mitgemacht"
Er sei es leid, dass immer wieder an den Aussagen von Natascha Kampusch gezweifelt werde, so der Staatsanwalt. "Dass man einem Opfer, das weiß Gott genug mitgemacht hat, indirekt Lügen unterstellt, das ist aus Sicht der Persönlichkeits- und Menschenrechte höchst bedenklich."
Amon: "Amtsmissbrauchsverfahren fortsetzen"
Aber auch der Vorsitzende des Staatspolizei-Ausschusses im Parlament, Werner Amon (ÖVP), fordert neuerliche Ermittlungen nach möglichen Mittätern und vor allem eine Fortsetzung des Innsbrucker Amtsmissbrauchs-Verfahrens gegen Mühlbacher und vier weitere Staatsanwälte, die mit dem Fall Kampusch befasst waren.
Amon: "Es ist bemerkenswert, dass gewisse Beweise der Staatsanwaltschaft bis heute negiert werden." Jetzt gehe es vor allem darum, dass weiterermittelt werde.
Grüne wollen U-Ausschuss
Und der Grüne Abgeordnete Peter Pilz fordert einen Untersuchungsausschuss zur Causa Kampusch. "Wir müssen uns anschauen, warum das alles systematisch niedergeschlagen worden ist", so Pilz.
Das Justizministerium hat heute angekündigt, dass kommende Woche bekanntgegeben wird, ob die Ermittlungen in Innsbruck fortgesetzt werden, ob Staatsanwälte angeklagt werden oder ob die Ermittlungen eingestellt werden.