Fünf Jahre nach der Flucht

Noch immer Aufregung um Kampusch

Heute vor fünf Jahren ist Natascha Kampusch die Flucht gelungen - nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft, die weltweit für Aufregung gesorgt hat und immer noch für Aufsehen sorgt. So ermittelt die österreichische Justiz nach wie vor. Im Vorjahr kam ein Theaterstück zur Aufführung, ein Kampusch-Film ist geplant und das Buch der 23-Jährigen ist ein Bestseller.

Morgenjournal, 23.08.2011

Hunderttausendfach verkauft

Die Autobiographie von Natascha Kampusch verkauft sich weltweit. In 30 Sprachen ist sie mittlerweile übersetzt worden. Alleine im deutschsprachigen Raum wurden mehr als 400.000 Bücher verkauft. In Deutschland, Österreich, aber auch in anderen Staaten hat es die Biographie mit dem Titel "3096 Tage" auf Platz Eins der Sachbuch-Bestsellerlisten geschafft. Gemeinsam mit zwei Co-Autorinnen schildert Kampusch ihre Kindheit, ihre Entführung, die 3096-tägige Gefangenschaft und die Zeit nach ihrer Flucht.

Im kommenden Jahr sollen die Dreharbeiten für die Verfilmung dieser Kampusch-Biographie beginnen. Der verstorbene deutsche Filmproduzent Bernd Eichinger hatte die Rechte erworben und das Projekt gestartet.

Republik muss nicht zahlen

Auf rechtlicher Ebene gab es im Frühjahr eine offenbar endgültige Entscheidung: Natascha Kampusch erhält kein Schmerzensgeld von der Republik Österreich. Ihr Anwalt hatte rund eine Million Euro gefordert - weil die Polizei unmittelbar nach der Entführung zwei Hinweisen auf Wolfgang Priklopil nicht ausreichend nachgegangen war. Doch die Republik übernimmt keine Verantwortung für die achteinhalbjährige Gefangenschaft. Die Finanzprokuratur argumentiert, es habe gegen Priklopil kein "begründeter Verdacht" bestanden. Kampusch hat die ablehnende Entscheidung akzeptiert, sie wolle sich ein jahrelanges Gerichtsverfahren ersparen.

Vorwürfe gegen Ermittler

Bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck aber laufen weiterhin zwei Ermittlungsverfahren im "Fall Kampusch". Fünf hochrangige Staatsanwälte aus Wien und Graz werden als Beschuldigte wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs geführt. Der ehemalige Höchstrichter Johann Rzeszut, hat ihnen vorgeworfen, sie hätten konsequent Ermittlungsergebnisse vernachlässigt, die auf mehrere Kampusch-Entführer hindeuten. Rzeszut ist ein Mitglied der "Adamovich-Kommission".

Wegen der Brisanz des Falls sollte ein Innsbrucker Richter und nicht ein Staatsanwalt die Staatsanwälte einvernehmen. Doch dann ist die Situation eskaliert. Der Richter wollte die Einvernahmen der Staatsanwälte filmen lassen, sie haben derartige Einvernahme-Bedingungen als völlig unüblich abgelehnt und nur schriftliche Stellungnahmen abgegeben. Der Wiener Oberstaatsanwalt Werner Pleischl hat dann sogar einen Ablehnungsantrag gegen den Richter gestellt, nachdem sich der Richter öffentlich zu den Ermittlungen geäußert hatte.

Mitwisser oder Wichtigmacher?

Für Aufregung und Ermittlungen sorgt auch ein angeblicher oder vermeintlicher Mitwisser im Fall Kampusch. Der 49-Jährige, der wegen Betrugs im Gefängnis sitzt, behauptet, dass er über Mittäter und Hintergründe der Entführung Bescheid wisse. Daraufhin erhielten seine Anwältin, und seine Lebensgefährtin vergangene Woche mehrere Droh-SMS. Bei der Wiener Gebietskrankenkasse, dem Arbeitgeber der Lebensgefährtin ging sogar eine Bombendrohung ein. Eine Sprecherin der österreichischen Justizanstalten geht aber davon aus, dass der Häftling selbst hinter diesen Drohungen steckt und dass er sich nur als vermeintlicher Mitwisser im Fall Kampusch wichtig machen wolle - das habe er in einem anderen aufsehenerregenden Fall auch schon getan.

Natascha Kampusch selbst hingegen meidet derzeit die Öffentlichkeit. Sie will zum fünften Jahrestag ihrer Flucht keine Interviews geben und sich so nicht dem Vorwurf aussetzen, sie selbst dränge sich allzu sehr in die Medien.