Kathrin Röggla arbeitet Medienrummel auf

Fall Kampusch am Akademietheater

Der Fall Natascha Kampusch hat die österreichische Öffentlichkeit erregt wie kaum etwas zuvor. Vor einem Monat hat Kampusch ihre Version, "3096 Tage", veröffentlicht. Jetzt beschäftigt sich auch ein Theaterstück damit: "Die Beteiligten", geschrieben von Kathrin Röggla, erlebt am 16. Oktober 2010 im Wiener Akademietheater seine österreichische Erstaufführung.

Mittagsjournal, 11.10.2010

Der Name Natascha Kampusch fällt in dem Stück kein einziges Mal. Nicht ihr Schicksal, die achtjährige Gefangenschaft, ist das Thema, sondern das, was danach kam. Der Mechanismus der Mediengesellschaft interessiert Kathrin Röggla. "Kampuschs Geschichte mit der Öffentlichkeit konnte anscheinend exemplarisch etwas über uns erzählen", meint die Autorin und insofern erzähle das Stück in erster Linie etwas über uns selbst.

Zum zweiten Mal Opfer

"Es geht darum, wie eine Opferfigur von der Gesellschaft zum Opfer gemacht wird, es gibt eine zweite Victimisierung", meint Regisseur Stefan Bachmann. Dies sei in dem Stück mit sechs typenhaften Figuren festgemacht, die die eigenen Unzulänglichkeit hineinprojizieren.

Die Typen in Kathrin Rögglas Stück tragen Bezeichnungen wie "der Quasifreund", "der Möchtegern-Journalist", "die Pseudo-Psychologin" oder "die Irgendwie-Nachbarin". Sie alle sind Beteiligte, weil sie darüber reden, sich als Experten aufspielen, sich aus den Medien ihr Bild zusammenfügen und das für das gültige halten. Irgendwann kippt es dann ins Aggressive, wenn die Figur, die sie zur Projektionsfläche auserkoren haben, nicht ihren Vorstellungen entspricht.

"Es ist die Sündenbockgeschichte", meint Bachmann, es sei reinigend für die Gesellschaft, wenn etwas geschlachtet werde.

Spezifische Sprache

Kathrin Rögglas Werken, wie "die alarmbereiten", "really ground zero" oder "Draußen tobt die Dunkelziffer" liegen oft sogenannte Katastrophenszenarien zugrunde. Wie reagiert die Gesellschaft auf Krisen, Katastrophen oder Ähnliches? Dafür hat sie eine ganz spezifische Sprache entwickelt. Subjekt und Objekt sind vertauscht – alles wird im Konjunktiv gesprochen – eine konkrete Handlung gibt es nicht.

Die Uraufführung von "Die Beteiligten" hat im Vorjahr in Düsseldorf stattgefunden, wo Regisseur Stefan Rottkamp eine strenge, auf die Sprache konzentrierte und von der Kritik hochgelobte Aufführung entwickelte.

Eine Stimme mehr

Stefan Bachmann inszeniert theatraler, grotesker, verwendet Musik von Falco zur Untermalung und lässt die sechs Darsteller mit blonder Perücke, lila Tuch und Bluse auftreten - jenes Gewand, das Natascha Kampusch bei ihrem ersten Fernsehauftritt am 6. September 2006 trug und das sich ins allgemeine Gedächtnis eingeprägt hat.

"Wir alle haben uns intensiv mit der medialen Aufbereitung beschäftigt", so Bachmann, "und mit dem Buch, wir waren auch auf der Lesung." So habe man eine emotionale Bindung zum Thema bekommen.

Über eines ist sich auch Regisseur Bachmann klar: Mit dieser Inszenierung, mit diesem Stück ist man Teil des Medienrummels um Natascha Kampusch, den man thematisiert, und eine öffentliche Stimme mehr, die sich - wenn auch künstlerisch - dazu äußert.

Service

Kathrin Röggla, "Die Beteiligten", ab 16. Oktober 2010, Akademietheater Wien,
Ö1 Club-Mitglieder bekommen ermäßigten Eintritt (zehn Prozent)

Burgtheater - Die Beteiligten
Kathrin Röggla

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