Weegees in der Galerie WestLicht

Der Bildchronist von New York

Dem legendären New Yorker Pressefotografen Weegee widmet die Wiener Galerie WestLicht ihre aktuelle Ausstellung. Weegee, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Arthur Fellig hieß, fotografierte in den 1930er und 40er Jahren als Reporter die dunklen Seiten der Stadt, heute gilt er als Klassiker. 250 seiner Vintage Prints sind jetzt in Wien zu sehen, Bilder aus der Schweizer Photo-Fondation Auer Ory.

Kulturjournal, 21.11.2011

Service

Ö1 Club-Mitglieder bekommen den Eintritt ermäßigt (35 Prozent).

WestLicht

Die Abgründe der Stadt

Erschossene Gangster in Blutlachen, der verstörte Blick des jungen Kindsmörders hinter Gittern, brennende Wohnhäuser, Unfalltote, Obdachlose und Schlägereien - Weegee tauchte ein in die Abgründe der Stadt. Er war der Mann, der vor allen anderen am Schauplatz war.

"Der Voyeurismus ist ein ganz zentrales Thema bei Weegee", so Rebekka Reuter, die Kuratorin der Schau. "Wir sehen auf seinen Fotos immer wieder die gaffenden Massen mit auf dem Foto. Und dadurch wird auch das Dreieck Betrachter-Fotograf und wir als Betrachter noch einmal speziell mitadressiert und mitgedacht."

Polizeifunk und Dunkelkammer im Auto

Zwischen 1935 und 1945, als die Fotowelt noch schwarzweiß war, war Weegee der Bildchronist von New York. Als erster hat er ein Polizeifunkgerät in seinem Auto installiert, um schnell am Tatort zu sein. Und er hat seine Bilder sofort entwickelt - im Kofferraum seines Chevrolets hatte er eine Minidunkelkammer eingerichtet.

"Weegee ist im Grunde als ein Haudegen bekannt, der sich selbst stets ein prestigeträchtiges Image zulegen wollte, der sehr stark durch Interviews, durch Promotionbilder diesem Image gerecht werden wollte. Es gibt ja auch diesen Stempel-Credit 'Photo by Weegee the famous', den er dann hinten auf seine Fotos auftrug. Das ging schon ganz stark in Richtung dieses Glamour-Faktors, dieses Images", erläutert Reuter.

Geboren in Lemberg

Dieses Image war hart erarbeitet. 1899 im galizischen Lemberg geboren, war Usher Fellig, wie er damals hieß, zehn Jahre alt, als er mit seiner Familie nach New York auswanderte. Die Schule hat er bald verlassen, er schlug sich als Süßigkeitenverkäufer durch, bis er als Passbildfotograf und Aushilfsreporter einen ersten Job bei einer Bildagentur fand.

In der von der Wirtschaftskrise gezeichneten Lower Eastside von Manhattan fand er seine ersten Sujets: Kinder, die im Freien auf der Feuertreppe übernachten, Trinker und Prosituierte - auf sie richtete er seine "Speed Graphic"-Kamera mit grellem Blitz.

"Die Bilder sind mit starkem Blitzlichteinsatz - das wird oft als aggressiv wahrgenommen, er ist da sehr nah rangegangen. Mir ist aber auch wichtig zu betonen, dass Weegee nicht nur der sensationslüsterne, egoistische Fotograf war, sondern dass er zu dieser Zeit auch sehr stark an dem Mythos der Klassenlosigkeit gekratzt hat, dass er mit seinen Fotos die scharfen Kontraste von Arm und Reich, den Rassismus der Gesellschaft gezeigt hat", sagt Reuter.

Geheimnis des Erfolgs

Das Geheimnis seines Erfolgs verriet Weegee in dem berühmten New-York-Bildband "Naked City" und zwar: "be yourself" und "stay up all night". In der Nacht war er denn auch in seinem Element, auch wenn er in den Vergnügungslokalen in Greenwich Village, in Kinos, im Zirkus oder in der Metropolitan Opera fotografiert. "Ich habe keine Hemmungen und meine Kamera auch nicht", schrieb 1961 er in seiner Autobiografie "Weegee by Weegee".

"Er wär einer gewesen, den ich gern kennen gelernt hätte", sagt der Leiter der Galerie Westlicht Peter Coeln. Und "Weegee war technisch ein Perfektionist": "Das ist einer der wenigen Pressefotografen, die jetzt Fine Art sind und in allen großen Museen und in großen Galerien gehandelt werden. Das hat auch seine Berechtigung. Er hat ja einen eigenen Stil in der Pressefotografie entwickelt - durch die Technik, die er verwendet hat. Er hat keinen Rollfilm verwendet. Er musste immer die Kassette neu reingeben - das sind ja Platten, die nicht so leicht zu wechseln sind, das dauert immer eine Zeit. Das spürt man einfach - er war sehr konzentriert auf das eine, entscheidende Bild."

Hohe Marktpreise für Weegee

"Weegee ist auch der erste Pressefotograf, der als Künstler im Museum of Modern Art angenommen wurde", betont stolz der Michel Auer, der die Sammlung vor 25 Jahren von einem Freund erworben hatte - im Tausch gegen ein Haus in Paris: "Als wir das gemacht haben, haben die Leute gesagt: wie dumm, Papier gegen Stein zu tauschen. Jetzt sagen die Leute: how clever!"

Zur Erklärung: Mittlerweile wird so mancher Weegee-Print um 10.000 Euro gehandelt.

Textfassung: Rainer Elstner