Neues vom theatercombinat

Politisches Theater

Theater als akustische Choreographie oder räumliche Soundinstallation - wo "theatercombinat" draufsteht, ist mit Sicherheit kein konventionelles Theater drin. Spätestens seit ihrer letzten Produktion "vampires oft he 21st century oder was also tun?" arbeitet Claudia Bosse, Mastermind des internationalen Ensembles theatercombinat, an einer eigenen, um nicht zu sagen eigenwilligen Theatersprache.

Kulturjournal, 22.11.2011

Im Zentrum ihrer Inszenierungen stehen die Akustik und die Erkundung des Theaterraums. In Wiens Off-Szene ist Claudia Bosse und ihre Kompanie spätestens seit 2009 eine fixe Größe. Damals erhielt sie für ihre Inszenierung von Elfriede Jelineks "bambiland" den Nestroy für die beste Off-Produktion.

Diesen Herbst wurde Claudia Bosse neben so namhaften Künstlern wie Günter Brus und Elke Krystufek vom Leopold Museum eingeladen, mit dem Jahrhundert-Provokateur Egon Schiele in einen künstlerischen Dialog zu treten. Die Soundinstallation, die der deutschen Regisseurin dazu eingefallen ist, ist in der aktuellen Jubiläumsausstellung "Melancholie & Provokation" im Leopold Museum zu sehen.

Nach diesem kurzen Ausflug in die Welt der bildenden Kunst, meldet sich jetzt wieder die Theatermacherin Claudia Bosse zurück. "dominant powers. Was also tun?" heißt die neueste theatercombinat-Produktion. Sie beschäftigt sich mit den jüngsten politischen Entwicklungen im arabischen Raum.

Eigene Klangwelt

In den großzügigen Büroräumen und Werkstätten einer ehemaligen Druckerei ertönen Stimmen. Die Zuseher heften sich an die Fersen einzelner Akteuren. Manche erkunden das unübersichtliche Raumgewirr auch auf eigene Faust. Das Publikum darf sich in der Zimmerflucht frei bewegen. Denn überall gibt es etwas zu entdecken und überall ist vor allem etwas zu hören. Aus Lautsprechern, die in den Räumen verteilt sind, tönen die Stimmen der Akteure. Die Einheit von Körper und Stimme ist aufgehoben, die Sprache hat sich verselbstständigt. Man spricht nicht, sondern wird gewissermaßen gesprochen. Von den Informationshäppchen, die die Medien in die Welt setzen zum Beispiel.

Wie bereits in ihrer letzten theatercombinat-Produktion kreiert Claudia Bosse in "dominant powers. Was also tun?" eine Klangwelt, bestehend aus Textfragmenten, Soundfetzen und Zeitzeugenberichten. Wer da gerade spricht, was da gerade rezitiert wird, weiß man nicht immer genau. Dennoch gibt es einen Kern, um den dieses scheinbar außer Kontrolle geratene Stimmengewirr kreist: Die Demokratiebewegung im arabischen Raum nämlich. Claudia Bosses künstlerischer Auseinandersetzung mit dem arabischen Frühling sind intensive Recherchen vorausgegangen.

Zunächst wurde sie über die Medien auf das Thema aufmerksam. Im September 2011 reist Claudia Bosse nach Kairo, um Interviews mit politischen Aktivisten zu führen - Gespräche, die sie später in ihre aktuelle Produktion einarbeiten wird.

Kommentar vom Chor

In "dominant powers. Was also tun" fragt Claudia Bosse danach, was der übersättigte, politikverdrossene Westen von den politischen Umbrüchen in Nordafrika lernen kann. Man hört die bewegenden Berichte ägyptischer Aktivisten, die von den Demonstrationen am Tahrir-Platz erzählen. Und sieht dann das erschütternde Handy-Video, das den blutüberströmten Exdiktator Muammar al Gaddafi in den Fängen der Revolutionäre zeigt.

Ähnlich wie in der antiken Tragödie liefert ein Chor in "dominant powers. Was also tun?" den Kommentar zum Geschehen, tut kund, was ansonsten vielleicht eher hinter vorgehaltener Hand gesagt wird. Kann man die Solidarisierung des Westens, der jahrzehntelang mit den arabischen Diktatoren kooperiert hat, für bare Münze nehmen? Hat die realpolitische Praxis nicht vielmehr vorgeführt, dass die Rede von Menschenrechten und Demokratie allzu schnell als Slogan missbraucht werden kann, um geopolitische Interessen durchzusetzen und neue Märkte zu öffnen?

Mit "dominant powers. Was also tun" hat Claudia Bosse ein dichtes Theatererlebnis geschaffen, das den Zuschauer fordert. Ein Kommentar zu den aktuellen Ereignissen im arabischen Raum, zwischen Hoffnung und - wie die jüngsten Ereignisse in Ägypten gezeigt haben - Resignation.

Die Uraufführung der aktuellen theatercombinat-Produktion "dominant powers. Was also tun?" findet am 23. November 2011 statt und zwar in der Pfeiffergasse im 15. Wiener Gemeindebezirk. Vorstellungsbeginn ist 20:00 Uhr.

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