Porträt des bulgarischen Künstlers
Otto-Mauer-Preis an Kamen Stoyanov
Franz West, Brigitte Kowanz oder Erwin Wurm haben ihn schon bekommen: den Otto-Mauer-Preis. Heuer wird der in Bulgarien geborene und in Wien und Sofia lebende Künstler Kamen Stoyanov damit ausgezeichnet. Stoyanov überzeugte die Jury mit seinen Videos, Performances und Fotos.
8. April 2017, 21:58
Weit gefächerte gesellschaftspolitische und existenzielle Themen werden in seinen Arbeiten angesprochen, wie etwa Migration, Globalisierung, Sozialschere, Kulturpolitik in Österreich und Bulgarien, oder auch die Mechanismen des Kunstmarktes.
Kulturjournal, 30.11.2011
Die besten Geschichten schreibt das Leben. Und wenn man ein bulgarischer Künstler ist, dann sind die Geschichten oft recht kompliziert. Aber genau sie bieten den Stoff für Kamen Stoyanovs Kunstwerke, in den letzten Jahren meist Videoarbeiten.
Ein ironisches Dokument des Scheiterns ist etwa das Video "Cultural Moussaka" aus dem Jahr 2010. Da wurde Kamen Stoyanov nach Japan zur Aichi-Triennale eingeladen. Die bulgarische Botschaft hat sich unerwartet bereit erklärt, den Künstler zu unterstützen. Doch statt finanzieller Mittel bot man ihm an, für das bulgarische Catering auf der Triennale aufzukommen. Und weil man das möglichst kostengünstig gestalten wollte, sollte das keine Firma, sondern die Botschaftsköchin übernehmen. Doch leider wurde diese kurz vor Beginn der Triennale aufgrund der Wirtschaftskrise entlassen. Und so nahm Stoyanov die Sache und den Kochlöffel selbst zur Hand. So kam es zur "Cultural Moussaka", einer Kochshow. Während Kamen Stoyanov mit einer schmutzigen Malerschürze Erdäpfel schält und Karotten schneidet, philosophiert er über die Kunst, die Politik und das Kochen.
Ein Joghurt als Kunstwerk
Die Politik, speziell die Kulturpolitik Bulgariens, ist Thema in Stoyanovs Arbeit "Bringing Cultura". Darin verweist er auf die prekären Produktionsbedingungen von Kunst in seiner Heimat und übernimmt jene Rolle des Kulturbotschafters, die eigentlich der bulgarische Kulturminister erfüllen sollte.
Das Joghurt "Cultura" steht dabei im Zentrum seines performativen Projektes. Nachdem der bulgarische Landwirtschaftsminister dazu aufgerufen hatte, das positive Image von bulgarischem Joghurt weltweit zu transportieren, nahm Stoyanov das wörtlich, packte mehrere Paletten Cultura in sein Auto und fuhr damit zu einer Ausstellung in Maribor, wo er das Joghurt im Rahmen seiner Ausstellung und an verschiedenen Plätzen der Stadt verkaufte. Ein Joghurt kostete einen Euro, mit Signatur des Künstlers zwei Euro. Da erkannte er, dass Werben und Kaufen zur "Essenz der künstlerischen Arbeit" gehört, wie er sagt.
Online-Spiel für Galeristen
Die Mechanismen des Kunstmarktes entlarvt Stoyanov in mehreren Projekten. So hat er etwa für zwei ungarische Galeristen ein Spiel entwickelt, bei dem sie gegeneinander antreten und versuchen, einem Sammler ein Kunstwerk zu verkaufen. Die Spielregel: Sammler und Galeristen dürfen einander nicht sehen, sondern lediglich über ein Internet-Chatprogramm miteinander kommunizieren. Durch die Art und Weise, welche Fragen der Sammler stellt, wird verdeutlicht, wie wenig die Ästhetik oder die unmittelbare Wirkung des künstlerischen Werkes eine Rolle spielt.
Als Feldforschung könnte man die Arbeitsweise von Stoyanov bezeichnen. So hat ihn etwa ein Spaziergang durch den Pekinger Kunstdistrikt 789 Artzone zu einem Hip-Hop-Song inspiriert. Als Textgrundlage hat er die SMS zweier chinesischer Freunde verwendet, die sich auf ihrem Streifzug durch die 798 Artzone ein Kunstwerk beschreiben, das sie entdeckt haben. Damit wird einerseits der recht konventionelle Kunstdistrikt in seiner Künstlichkeit entlarvt, aber auch westliche Vermarktungsmechanismen hinterfragt.
Zuhause in Sofia und Wien
Nach Österreich kam der 34-jährige Kamen Stoyanov, der in Rousse geboren wurde, vor elf Jahren. Nach einem Malerei-Studium in Sofia, dass ihm schon bald zu konservativ war, bemühte er sich um ein Stipendium für die Wiener Akademie der bildenden Künste und studierte hier fünf Jahre lang Fotografie bei Eva Schlegel. Heute lebt und arbeitet er abwechselnd in Wien und in Sofia, wo er mit einigen Künstlerkollegen eine neue Galerie eröffnet hat. In Österreich, meint Stoyanov, werde seine Kunst besser verstanden.
Einige Werke des Künstlers, wie etwa "Bringing Cultura" oder "Cultural Moussaka" sind von 4. Dezember 2011 bis 15. Jänner 2012 im Jesuiten-Foyer in der Bäckerstraße zu sehen. Dort steht auf einem Podest auch ein leerer Cultura-Joghurtbecher, in den man seine Spende werfen kann - eine Spende, die dem bulgarischen Kulturminister zukommen soll, für den bulgarischen Pavillon auf der Biennale von Venedig.
Textfassung: Ruth Halle