Bangen um eigene Wirtschaft

Nach EU-Gipfel: USA erleichtert

Der Kampf Europas gegen die Schuldenkrise wird auch in den USA genau beobachtet, denn die USA leiden selbst unter einer hohen Schuldenlast und einem schwachen Wirtschaftswachstum. US-Ökonomen fürchten, dass die US-Wirtschaft zum Erliegen kommt, wenn Europa keinen Ausweg aus der Schuldenkrise findet. Die Beschlüsse des EU-Gipfels werden daher als positives Signal gewertet.

Morgenjournal, 10.12.2011

Aus den USA,

Interesse der USA groß

Die USA seien sehr interessiert daran, dass Europa wieder auf die Beine komme, sagt William Strauss, Volkswirt bei der US-Notenbank Federal Reserve, Regionalabteilung Chicago:

"Eine starke Wirtschaft in Übersee treibt unsere Exporte an - wenn Europa nicht aus der Krise kommt, würde sich das sehr negativ auf unsere Exporte und damit auf unsere gesamte Wirtschaft auswirken."

Indirekte Hilfe möglich

Immerhin machen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den USA fast die Hälfte des weltweiten Waren- und Dienstleistungshandels aus. US-Präsident Barack Obama hat vor zwei Wochen erklärt, die USA stünden bereit, um der EU im Kampf gegen die Schuldenkrise zu helfen, ohne aber Details zu dieser Hilfe zu nennen. Für Roberto Rigobon, Professor am Massachusetts Institute of Technology in Boston, sind damit aber keine direkten Finanzspritzen gemeint. Stattdessen könnten die USA dazu beitragen, dass hoch verschuldete Euro-Staaten wie Portugal, Italien oder Spanien wieder wettbewerbsfähig werden, sagt MIT-Professor Rigobon:

"Die USA könnten diesen Staaten beispielsweise neue Technologien zur Verfügung stellen, vermehrt dort investieren, das würde der Industrie und der Wettbewerbsfähigkeit helfen. Gegen die Schulden Europas kann Amerika nichts machen. Aber meiner Meinung nach sind die Schulden eine Folge der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit vieler Euro-Länder, nicht umgekehrt."

Fragwürdige Rolle der Ratingagenturen

Verständnis zeigt Rigobon für die Kritik Europas an der Rolle der Ratingagenturen. Die Agentur Standard & Poor's hat ja zuletzt die Eurostaaten, die europäischen Banken, den Rettungsschirm EFSF und die gesamte EU auf einen negativen Ausblick gestellt und damit den Verlust deren Top-Kreditwürdigkeit angedroht. Das sei nicht nachvollziehbar, so Rigobon:

"Wenn Standard & Poor's ganz Europa verallgemeinert und alle Länder in denselben Topf wirft, dann macht man es sich zu leicht. Sehen etwa die Niederlande aus wie ein Land, das bankrott geht? Das ergibt doch keinen Sinn und ist unprofessionell. Durch diese Pauschalisierungen verlieren die Ratingagenturen ihre Glaubwürdigkeit." Daher würden sich die Agenturen mit solchen Aktionen letztlich selbst schaden. Die Kritik, hinter dem Vorgehen der US-Ratingagenturen stecke der gezielte, politisch motivierte Plan, die Eurozone zu schwächen, weist Rigobon aber zurück. Die Einigung beim EU-Gipfel auf einen verbindlichen Pakt für mehr Haushaltsdisziplin beurteilen die US-Experten grundsätzlich positiv.

(Manuel Marold begleitet derzeit in den USA eine Delegation der Wirtschaftskammer Österreich und hat in Chicago und Boston mit Wirtschaftsexperten gesprochen.)