Unkraut wuchert über versteckte Schätze

Mangelnde Sanierung jüdischer Friedhöfe

Vor zehn Jahren hat sich Österreich im Washingtoner Abkommen dazu verpflichtet, die zum Teil stark verfallenen Gräber jüdischer Friedhöfe instand zu setzen. Durch Vertreibung und Holocaust gibt es kaum Nachkommen, die diese Aufgabe übernehmen könnten. In zwei neuen Büchern wird der Zustand der jüdischen Friedhöfe dokumentiert.

Mittagsjournal, 10.12.2011

Peter Daser

Friedhofspflege: Lokales Engagement wichtig

Mehr als 60 jüdische Friedhöfe gibt es in Österreich. Die meisten befinden sich in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Gut die Hälfte ist in einem schlechten Zustand. Die Grabdenkmäler sind verfallen und rotten mangels Pflege vor sich hin.

Die Historikerin Tina Walzer beschäftigt sich seit Jahren mit den jüdischen Friedhöfen und hat mit Claudia Theune ein Buch zur Bestandsaufnahme dieser Anlagen veröffentlicht. Der Zustand der Friedhöfe hänge stark vom jeweiligen lokalen Engagement ab, so Walzer. Je nachdem, ob Ortsgemeinden sich für den Friedhof interessierten, sind diese in einem besseren oder schlechteren Zustand.

Währinger Friedhof wartet auf Sanierung

Der Bund stellt über den Nationalfonds eine Million Euro jährlich für die jüdischen Friedhöfe zur Verfügung, wenn die zuständigen Gemeinden sich nach der Instandsetzung weiter um die Friedhofspflege kümmern. Die Gemeinde Stockerau in Niederösterreich zum Beispiel hat heuer so eine Zusage gemacht.

Anders in Wien, wo vor allem der große Währinger Jüdische Friedhof seit Jahren auf eine Sanierung wartet. Der Zugang ist gesperrt, es gibt keine Wege zwischen den Grabreihen. Hinter dichtem Unkraut liegen offene Grüfte und gebrochene Steinplatten.

"Gefahrenquellen beseitigen"

Um überhaupt erst Sanierungsmaßnahmen in Angriff nehmen zu können, müssten solche Gefahrenquellen beseitigt werden, sagt Walzer. Erst dann könne es eine längerfristige Bewuchspflege geben. Sie schätzt die Kosten für die Grundpflege des Friedhofs auf 20.000 bis 30.000 Euro im Jahr.

Versteckte Schätze unter Unkraut

Über den jüdischen Friedhof in Währing hat Tina Walzer ebenfalls ein Buch herausgebracht. Sie betont die kulturhistorische Bedeutung der im Biedermeier entstandenen Anlage.

Hinter Gestrüpp würden sich aufwändige Grabdenkmäler aus Stein, Skulpturen, Tempel und Säulen im antiken Stil finden. Auch kunstvolle orientalische Mausoleen würden sich unter dem Unkraut verstecken. Bisher sei das allerdings nur Eingeweihten bekannt.

"Friedhöfe als Kulturgut sehen"

"Es würde der Sache helfen, wenn man die jüdischen Friedhöfe, darunter so bedeutende Anlagen wie der Währinger Friedhof oder der Zentralfriedhof, als Kulturdenkmäler sehen würde", sagt Walzer. Bisher würde man die Friedhöfen lediglich mit NS-Schuld verbinden, "die man einmal abträgt und damit ist die Sache dann erledigt."

Zumindest das Zeremonien-Gebäude des Friedhofs - gestaltet vom Architekten Josef Kornhäusel -, könnte laut Tina Walzer demnächst wohl saniert werden.

Buchtipp

Walzer, T., Der Jüdische Friedhof Währing in Wien, Verlag Böhlau, Wien 2011
Walzer, T., Theune, C., Hg., Jüdische Friedhöfe, Verlag Böhlau, Wien 2011