Neues Kulturzentrum wird geschlossen

Spaniens Sparpolitik trifft Kultur

Der Brasilianer Oscar Niemeyer, der heute seinen 104. Geburtstag in Rio de Janeiro feiert, gilt als "Jahrhundertarchitekt". Sein in diesem Jahr eröffnetes Kulturzentrum im nordspanischen Avilés wird jetzt allerdings wieder geschlossen - die eiserne Sparpolitik in Spanien trifft immer mehr Kulturinstitutionen des Landes.

Kultur aktuell, 15.12.2011

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Centro Niemeyer

Touristen-Impulse erhofft

Mehrere Dutzend Bewohner der nordspanischen Stadt Avilés versammelten sich dieser Tage, um dem brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer ein besonderes Ständchen zu bringen. Schauplatz war das Kulturzentrum Niemeyer, dessen Pläne und Entwürfe der Altmeister der Baukunst der Kleinstadt zum Geschenk gemacht hatte.

Anfang des Jahres war der aus mehreren Ausstellungs- und Konzertsälen gebildete Komplex, der dem Industriestandort Avilés einen neuen Touristen-Impuls geben sollte, von internationalen Stars, wie Woody Allen und Kevin Spacey eröffnet worden.

Abtretungsvertrag läuft aus

Das Geburtstagskind auf Video für den 104-Jährigen Jubilar bedeutet für einige Beteiligte auch den Abschied von ihrem Arbeitsplatz. Mit dem Datum vom 15. Dezember 2011 läuft der Abtretungsvertrag an die Fundation Niemeyer aus, der Betrieb des vor sechs Monaten eröffneten Kulturzentrums soll eingestellt werden.

Ein Streit über die Gebarung des architektonisch aufregend gestalteten Gebäudekomplexes hatte die asturianische Regionalregierung veranlasst, den Geldhahn zuzudrehen. In Zeiten eiserner Sparvorgaben und sozialer Einschnitte auch die Kulturbudgets beschnitten werden. Ob das brandneue Kulturzentrum unter neuer Führung noch eine Chance bekommt, wird zurzeit erörtert.

Auch Skulpturenpark musste schließen

Etwas länger, nämlich ganze zehn Jahre, war das Freiluftmuseum des Bildhauers Eduardo Chillida im Baskenland in Betrieb. Auf dem Familiengrundstück hatten die Kinder des Künstlers, dessen riesige Stahlplastiken am Strand von San Sebastian oder vor dem Bundeskanzleramt in Berlin aufgestellt sind, den Skulpturenpark eingerichtet. Für Aufwand und Personalkosten stand die baskische Regionalregierung gerade. 800.000 Gäste zählte man seit der Eröffnung im Chillida-Park, ein wichtiger Magnet für die Stadt Hernani.

Nachdem die Geldgeber im Zuge von Einsparungen die Zuschüsse drastisch gekürzt hatten, musste die Familie Chillida das Areal schließen.

Kulturbudget radikal gekürzt

Unter dem Druck der Euro-Partner und Gläubiger legte die spanische Regierung einen Sparplan vor, um bis 2013 die Defizitgrenze von drei Prozent zu erreichen. Das Kulturbudget wurde im Voranschlag fürs kommende Jahr um 14 Prozent gekürzt. Nächste Woche tritt der neu gewählte Premierminister sein Amt an: "Sparen ist eine Aufgabe für die ganze Nation, für alle Parteien und Sozialpartner, für alle Spanier."

Mariano Rajoy könnte im Sinne der Austeritätspolitik auf mehrere Ministerien verzichten, darunter auch das Kulturressort.

Flucht nach vorne

Das von Einsparungen bedrohte Prado-Museum entschloss sich inzwischen, in die Offensive zu gehen und den Betrieb auszuweiten. Durch die Abschaffung des wöchentlichen Schließtages will man mehr Besucher anlocken und die Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten um zwei Millionen Euro steigern.

Kritiker mundtot gemacht

Sparen kann auch als Vorwand dienen, unbequeme Kulturschaffende los zu werden. Das Filmfestival von Valencia, dessen Macher immer wieder Differenzen mit den Geldgebern im Rathaus auszutragen hatten, wurde von Bürgermeisterin Rita Barberá im 33. Bestandsjahr eingestellt. Die eingesparten 1,7 Millionen Euro, so die konservative Politikern wörtlich, werde man für notwendigere Projekte einsetzen.